Büchertagebuch
Siegmar Faust: Der Provokateur. Ein politischer Roman, München (Herbig) 1999
Ob einer von der Gedankenlosigkeit seiner Mitmenschen überzeugt ist oder ihnen gedankenloses Überzeugtsein attestiert, kommt irgendwann auf dasselbe heraus. Es liegt darin sowohl eine Unter- als auch eine Überforderung: Wer mir Gedankenlosigkeit unterstellt, der erleichtert es mir, Gedanken zu äußern, die ich sonst nie geäußert hätte, bloß aus Verletztsein, um zu verletzen – Gedanken, die so wenig zu mir passen, dass der eine oder andere Mitmensch zusammenzuckt und sich fragt, wie gerade ich dazu komme, sie zu äußern. Würde er sich nur fragen! Er fragt sich aber in der Regel nicht wirklich, sondern nur pro forma und hakt mich ab. Pro forma denkt auch der Überforderte: Das ist ein Angriff und ich werfe alle mir verbliebenen Kräfte in die Schlacht, um ihn abzuwehren. Soll heißen: völlige Freiheit und völlige Unfreiheit liefern täuschend ähnliche Resultate.