Siegmar Faust
Schriftsteller und Bürgerrechtler

Faust wurde als Sohn der technischen Zeichnerin Ingeborg Kayenberg und eines Zyprioten, der als britischer Soldat der Antihitlerkoalition in deutsche Kriegsgefangenschaft geraten war, geboren. Er wuchs in Heidenau bei Dresden auf. Nach dem Abitur studierte er ab 1964 Kunsterziehung und Geschichte an der Universität Leipzig, von der er im Sommer 1966 wegen »Disziplinlosigkeit und politischer Unzuverlässigkeit« exmatrikuliert wurde, weil er eine Vorlesung mit unzensierter Lyrik organisiert hatte. Nach der Wende und friedlichen Revolution in der DDR wurde vom Rektor der Universität 1993 dazu festgestellt, dass die Exmatrikulation eindeutig politisch motiviert war und damit einen zeittypischen Akt ausgeübter Willkür gegen Andersdenkende darstellte.
Nach erfolgter Bewährung in der Produktion wurde ihm ein Studium wieder gestattet. Faust wurde zum Studium am Leipziger Literaturinstitut »Johannes R. Becher« angenommen, auch dort aber im Frühjahr 1968 aus politischen Gründen wieder exmatrikuliert.
Seinen Lebensunterhalt verdiente Faust überwiegend als Hilfsarbeiter, nebenher war er schriftstellerisch tätig. Vorerst kursierten seine Werke im Freundeskreis. Seit 1968 wurde Faust von der Stasi beobachtet und verfolgt. Als seine Versuche, in der Bundesrepublik zu veröffentlichen, aufgedeckt wurden, erfolgte eine erste Inhaftierung. Nach seiner Freilassung verdingte er sich als Transportarbeiter. Im Sommer 1968 initiierte er die Stauseelesung von Leipzig, die weitere politische Repressalien, aber auch die Entdeckung Wolfgang Hilbigs als Lyriker zur Folge hatte. Nachdem ein offizieller Ausreiseantrag durch die DDR-Behörden abgelehnt worden war, initiierte er unter Verweis auf die Mitgliedschaft der DDR in den Vereinten Nationen eine von 45 Personen unterzeichnete Petition Gegen die Verweigerung der Menschenrechte. Daraufhin wurde er erneut inhaftiert und vom Bezirksgericht Dresden zu vier Jahren und sechs Monaten Haft verurteilt.
Wegen ›staatsfeindlicher Hetze‹ war Faust, der sich damals selbst als Marxist verstand, in den 1970er Jahren insgesamt 33 Monate inhaftiert, davon 17 Monate in Stasi-Untersuchungshaftanstalten, sieben Wochen im Haftkrankenhaus für Neurologie und Psychiatrie Waldheim („Klapsmühle Waldheim“), die übrige Zeit im Zuchthaus Cottbus. Dort stellte er dem SED-Zentralorgan Neues Deutschland die handgeschriebene Zeitung Armes Deutschland gegenüber, die von Hand zu Hand gereicht wurde. Dafür wurde Faust über 400 Tage in einer doppelt vergitterten, feuchten und kalten Kellerzelle (»Tigerkäfig«) gefangen gehalten. Mithäftlinge unterstützten ihn und schmuggelten Kugelschreiberminen und Butter in seine Zelle. Insgesamt war er über zwei Jahre in Einzelhaft. Im März 1976 wurde er nach einer Intervention Robert Havemanns bei Erich Honecker und wirksamen Protesten des In- und Auslandes wegen ›guter Führung‹ vorzeitig freigelassen. Im September 1976 wurde ihm die Ausreise in die Bundesrepublik gestattet. Bis zur Ausreise hielt er sich im Freundeskreis Wolf Biermanns auf.
Im Westen angekommen, folgte für Faust eine große Ernüchterung:
»Dass ich in der Mensa auf der Hardenbergstraße neben Marx-, Engels- und Lenin- auch riesige Stalin-Poster sah und verzweifelt davonlief, interessierte keinen. Der Verleger Axel Springer war der Oberteufel, ansonsten sollte ich mich von Gerhard Löwenthal, Matthias Walden, der Bundeswehr, der CDU, ganz besonders der CSU, von Landsmannschaften und Burschenschaften, dem Mauermuseum, der Gesellschaft für Menschenrechte und überhaupt von allen Antikommunisten, Amerikanern und konservativen Fortschrittsfeinden fernhalten, gaben mir diejenigen zu verstehen, die mir weiterhelfen, besser noch: mich retten wollten.«
Er arbeitete freiberuflich als Schriftsteller, Drehbuchautor, Rezensent und Vortragsreferent.
Faust hat fünf Söhne und eine Tochter. Er lebt in Berlin.

 

Texte in Acta Litterarum

 

 
 

 

 

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