Stadt und Literatur

Mit Stadt und Literatur ist es so ’ne Sache, dass es unzählige Sachen zwischen Stadt und Literatur gibt. Unmengen verschiedenster Sachen. Seit eh und je, so gut wie von Anbeginn an, nehmen diese beiden genuin menschlichen Phänomene unentwegt und vielfach Beziehung zu- und Bezug aufeinander. Die Anziehungskraft zwischen den beiden ist von Anfang an enorm. Als hätten sie nur darauf gewartet, dass das jeweils Andere auf die Welt kommt, um sich neu- und begierig darauf zu stürzen, als wäre das eine von Anbeginn an, hoch im Himmel beschlossene Beziehung, die unbedingt zustande kommen musste. (So etwas wie eine göttlich beschlossene Kinderehe, die entschieden wird, noch lange bevor die künftigen Eheleute heiratsfähig sind, ja überhaupt erst geboren.) Ja als wären die beiden menschlichen Phänomene, Stadt und Literatur, noch im Stadium von platonischen Ideen füreinander prädestiniert.

Nur im Unterschied zu so vielen Kinderehen zeigte sich die Liaison zwischen Stadt und Literatur über mehrere Jahrhunderte als überaus glücklich, zumindest äußerst ergiebig. Eine für alle Zeiten bewährte, langweilige Ehe ist es deswegen noch lange nicht, immer wieder kommt es nämlich zu Turbulenzen und Krisen, zu Seitensprüngen und Exzessen, nur diese scheinen die kreative Produktivität der Beziehung immer nur zu steigern. Diese fast symbiotische Affinität hat bereits unzählige Formen und Wege hervorgebracht, miteinander auszukommen, in Beziehung zu bleiben, und den Erneuerungen scheinen keine Grenzen gesetzt zu sein.

Natürlich könnten sie beide auch getrennt ihr Leben führen, ohne dadurch wirklich etwas Entscheidendes von ihrem innigsten Wesen einzubüßen, bloß so wären sie weniger, beinahe unfertig, unvollkommen: als müssten sie zueinander kommen, um voll und vollständig zu sein. Was wäre Literatur ohne Stadt? Was wäre Stadt ohne Literatur?

Gewiss geht Literatur auch mit allen anderen Lebensbereichen tiefe und intime Verhältnisse ein: mit Landschaft etwa, Bio- und Geographie, mit Reisen, Historie, mit Schicksalen, Beziehungen, Leidenschaften, Gefühlen, mit Innenwelt schließlich, Gesellschaft, Politik, ja mit allem nur Erdenklichen und Zugänglichen.

Auch umgekehrt ist die Literatur nicht die einzige Kunst, die sich von Anbeginn an geradezu exzessiv mit dem Phänomen Stadt auseinandersetzt. Das gilt genauso für Malerei und Graphik, für Musik und Theater, von Baukunst und Bildhauerei ganz zu schweigen.

Und dennoch sind die Beziehungen zwischen Stadt und Literatur von besonderer Beschaffenheit: nirgends sonst findet nämlich eine so gravierende, so radikale Übersetzung von verschiedenen Medien, verschiedenen Wahrnehmungsregistern statt, wie hier, nämlich vom Visuellen ins Verbale, vom Räumlichen ins Innenräumliche, vom Plastischen ins Imaginäre, vom Dreidimensionalen in die nicht unbedingt weiter ergründlichen Dimensionen der Wortkunst.

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