Oft passierte ich auf Streifzügen durch die Innenstadt die Galerie Würthle, zu diesem Zeitpunkt im Besitz von Hans Dichand, dem allmächtigen Herausgeber der Kronenzeitung. Diese wichtige Galerie, vom Kupferstecher und Verleger Friedrich-Carl Würthle ursprünglich in Salzburg begründet, wurde danach zu einer der einflussreichsten Kunsthandlungen um die Jahrhundertwende des 20. Jahrhunderts in Wien. Michels Großvater Friedrich führte die Galerie erfolgreich weiter und genoss unter den sich neuformierenden Sezessionisten bald einen Ruf wie Kahnweiler in Paris. Widrige Umstände beförderten seine Abenteuerlust, so finden wir ihn am Ende seines Lebens in einem indischen Internierungslager, wo er einsam verstarb. Nach dem Anschluss an Hitlerdeutschland änderten sich die Besitzverhältnisse dramatisch: Fritz Würthle, Michels Vater, erfüllte nicht die in ihn gesetzten Erwartungen der Familie, Kunsthändler zu werden. Trotz Lehrjahre bei Solomon & Solomon in London und Flechtheim in Berlin, entschied sich der spätere Historiker für eine politische Karriere und trat als Nazigegner der Tiroler Widerstandsbewegung bei. Die Galerie Welz, welche die Salzburger Dependance führte, übernahm geschmeidig den Werkstock und führte das arisierte Unternehmen unter eigenem Namen weiter – einige Ungereimtheiten in Bezug auf den Bestand konnten bis heute nicht ausgeräumt werden. Der interessierte Leser wird sich an die Querelen um Werke von Schiele und Kokoschka erinnern, die Hubertus Czernin vor ca. zehn Jahren im österreichischen Nachrichtenmagazin »Trend« thematisierte.

Die Galerie Würthle ist mittlerweile Teil der österreichischen Kunstgeschichte geworden: ich erinnere mich an deren Retrospektive anlässlich des 60. Jubiläums seit ihrer Gründung Anfang der 80er Jahre. Unter der Regie von Otto Breicha hatte sich die österreichische Avantgarde der letzten hundert Jahre versammelt: Gustav Klimt, Egon Schiele, Alfred Kubin, Oskar Kokoschka, Fritz Wotruba, Direktor der Galerie nach 1945, sowie andere Mitbegründer der Moderne in Österreich.

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