Burckhard Dücker
Reflexivität und Transitivität
Zur Struktur kulturellen Handelns
1. Einführung

Reiseprospekte von Touristikunternehmen und Reiseteile großer Zeitungen leben von der vielfältigen Individualität und Buntheit von Kulturen. Als Reiseziele angeboten und in Reiseberichten vorgestellt werden weniger Länder und Staaten als vielmehr Kulturen, deren staatliche Zuordnung in diesem Zusammenhang oft von untergeordneter Bedeutung zu sein scheint. Ob eine kultisch genutzte Naturformation, eine spektakuläre Schloss- oder Industrieanlage, eine bedeutende Kunstsammlung, Kulttänze oder Rituale indigener Ethnien, was zählt und touristische (ökonomische) sowie mediale Aufmerksamkeit erhält, sind Exotik und kulturelle Andersheit, Originalität und Ursprünglichkeit als Ergebnisse eigenkultureller Deutungsmuster. Als unverzichtbar für die Formung oder Bildung der eigenen Identität gilt etwa die Erfahrung, dass ›dort‹ die Zeit stehen geblieben sei oder dass sich ›dort‹ Geschichte vollzogen habe. Kulturgüter sind durch ihre Geschichte definiert, die als Narrativik (Erzählung der Besuchsepisode aufgebaut in Anfang – Vorbereitung, Anfahrt –, Haupt- bzw. Zwischenphase – Aufenthalt am Objekt –, Abschluss – Rückkehr) kulturellem Handeln Sinn verleihen. Indem man die kulturelle Differenz der besuchten Kulturen durch die Erzählung bezeugt, bezeugt man im eigenen kulturellen Kontext sein kulturelles Interesse, seine Offenheit gegenüber dem Anderen, wofür man ›hier‹ Anerkennung erwartet. Man verändert sich, indem man durch seinen Besuch die Zielkulturen verändert (Aufbau touristischer Infrastruktur, Alltag wie in der Herkunftskultur, kulturelle Überlieferung gesichert als Konsumgegenstand Folklore). Wenn diese Erfahrungen dazu führen, von einer Vielzahl gleichberechtigter Kulturen anstatt von der einen, in der Regel der eigenen Kultur als Maßstab zu sprechen, dann bedeutet dies eine Veränderung des bis in die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts geltenden eurozentrischen Kulturdiskurses in Richtung auf Anerkennung der aktuellen Verhältnisse.

Aber nicht nur im touristischen Bereich erfreut sich der Themenkomplex ›Kultur‹ seit einigen Jahren einer dauerhaften öffentlichen Aufmerksamkeit in Deutschland; das anhaltende Interesse an Kultur manifestiert sich in vielfältigen feuilletonistischen, kultur- und finanzpolitischen Verlautbarungen in Massenmedien sowie in wissenschaftlichen Studien, ein Befund über den gesellschaftlichen Kulturdiskurs, der einen Funktionswandel von Kultur zu markieren scheint. Obwohl sich diese Aktualität auch in konventionellen Formaten wie Rezensionen literarischer Neuerscheinungen, Kritiken von Theaterinszenierungen, Ausstellungen und spektakulären architektonischen Ereignissen (z.B. Wiederaufbauprojekt Berliner Stadtschloss, Einweihung des wieder errichteten Neuen Museums in Berlin) zeigt, stehen im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit politisch-intellektuelle, ereignisbezogene Auseinandersetzungen über kulturelle Handlungskomplexe wie ›Deutsche Leitkultur‹ (2000, 2005), Schlussbericht der Enquête-Kommission ›Kultur in Deutschland‹ (2007), die Erinnerung des baden-württembergischen Ministerpräsidenten Günther Oettinger an seinen Vorgänger Hans Filbinger als ›Widerstandskämpfer‹ im ›Dritten Reich‹ (2007), Aberkennung des UNESCO-Titels ›Weltkulturerbe‹ für das Dresdener Elbtal (2009), ›Staatsziel Kultur‹ (2009), die Verleihung des Hessischen Staatspreises für Kultur (2009), das Schweizer Referendum gegen die Errichtung von Minaretten (2009), eine Bundestagsdebatte zum Thema kulturelle Bildung (2009), die Konstruktion kultureller Wirklichkeit am Beispiel des Erfolgs als Medienpräsenz der Autorin Helene Hegemann (2010), Nachrichten über massive Einsparungen in den Kulturhaushalten von Kommunen und Ländern (2009/10) sowie rituelle Anlässe wie das 50. Jubiläum der Stiftung Preußischer Kulturbesitz (2008), die Wiedereröffnung der Anna-Amalia-Bibliothek in Weimar (2007) und des Schiller Nationalmuseums in Marbach (2009).

In den Medien ist der Begriff Kultur in Bezug auf alle gesellschaftlichen Felder gegenwärtig. Im Zusammenhang des Ankaufs von CDs mit Daten von Steuerstraftätern durch staatliche Stellen ist von der Notwendigkeit »einer neuen Kultur des Anstands« die Rede, davon, »dass der Staat neue Regeln aufstellt«, die einen »Kulturwechsel« (Beise in SZ 08.02.2010) im Finanzsektor einleiten. ›Kultur‹ meint einen im Finanzbereich gültigen, von allen Akteuren anerkannten und umgesetzten Verhaltenscodex (Anstand, Moral, Verlässlichkeit), der dann auf andere Bereiche entsprechend ausstrahlen soll.

Insgesamt geht es immer wieder um Differenzierungen wie anständig und verwerflich oder – ähnlich fundamental – Sonn- bzw. Festtag und Alltag, Fest- und Gebrauchsformen, ablesbar am Beispiel der Essenshandlungen und Tischkultur.

»Früher war das Leben noch in Ordnung. In der Woche wurde gearbeitet und am Sonntag geruht. An dieser Achse richtete sich das Wesen der Gesellschaft aus. Es gab die Alltagskleidung und den Sonntagsstaat. Unter der Woche war Schmalhans Küchenmeister, und am Tag des Herrn wurde der Braten aufgetischt. Alltags gab es Gebrauchskeramik, am Wochenende dafür das Porzellanservice mit Goldrand. So war das mal. So ist es lang nicht mehr. Die alte Welt liegt in Scherben, die Porzellanindustrie jammert. Die Tischkultur verfalle, keiner tafele mehr geordnet.« (Fromme in SZ 29.01.2010)

Diagnostiziert werden Statik und Dynamik kultureller Ordnung, eine seit langem eingespielte Tischkultur verliert an Akzeptanz, die Anerkennung einer neuen Ordnung wird sichtbar, deren Schlüsselwörter »Stilmix, Materialmix, Präsentation des eigenen Lebensstils« und »Pluralität« (Fromme in SZ 29.01.2010) sind. Auf der Basis westlicher Kulturtraditionen wird die Möglichkeit der kulturellen Selbstbestimmung, der Zusammenstellung verschiedenkultureller Elemente und Segmente zu einem individuellen kulturellen Patchwork-Lebensstil privilegiert. Wenn die Pluralität kultureller Selbst- und Weltformung die Vorstellung einer tendenziell einheitlichen nationalen Kultur zurückdrängt, dann sind Szenarien kultureller Fortschrittskonzepte nicht mehr möglich. Da nicht alle Kulturen die Fragmentierungen und Subjektivierungen zulassen, sieht Huntington in dieser ›Ungleichzeitigkeit‹ eine Begründung seiner These vom Clash of civilisations (1996). Keinesfalls aber bedeutet Kulturwandel den Verzicht auf Ordnung und Formung. Auch eine neue Tischkultur zielt durch ihre Gestaltungsregeln auf das befristete harmonische und gesellige Zusammensein mehrerer Personen, auf die temporäre Gleichgerichtetheit einer Gemeinschaftserfahrung, die wechselseitig anerkannte Gleichheit von Gast bzw. Gästen und Gastgeber voraussetzt.

Obwohl demnach alle, die kulturelle Regeln und Ordnungen einhalten, kulturell handeln, gelten als ›Kulturschaffende‹ vor allem jene, die Kunstwerke hervorbringen oder deren Aufführung ermöglichen. In jedem Jahr werden mehrere Städte als ›Kulturhauptstädte Europas‹ anerkannt, eine Beilage »Kultursaison« (Die Zeit 17.09.2009) informiert über die als besonders innovativ oder repräsentativ anerkannten Veranstaltungen und Ereignisse im Bereich von Film, Musik, Theater, Literatur und Ausstellungen. Für und wider die Verhaftung Roman Polanskis wegen »Verführung einer Minderjährigen« vor 32 Jahren tobt in Polen ein »Kulturkampf« (Urban in SZ 30.09.2009), die juristische Dimension wird überlagert von den kulturellen Kontrahenten: einer programmatisch nationalen und einer liberalen kulturellen Orientierung. Ebenfalls als »Kulturkampf« wird die Auseinandersetzung über die Eignung des ägyptischen Kulturministers Faruk Hosni als Chef der UNESCO vorgestellt (Willms in SZ 26.05.2009). In der Finanzkrise Dubais wird »ein Ende des Kulturkolonialismus« und »eine Chance« gesehen, »endlich die eigene Kultur« (Weissmüller in SZ 28./29.11.2009) zu stärken.

Schon aufgrund dieser Beispiele können folgende Merkmale als Gemeinsamkeiten kultureller Handlungen oder Ereignisse in westlichen Traditionen gelten:
  • Einbettung in Situations- bzw. Kontextbezug
  • Kulturpolitischer Rahmen, Finanzierung
  • Performativität / Aufführungscharakter und Sprache
  • Interessenbasis
  • Dreiphasenschema von Angebot, Aushandlung, Anerkennung
  • Handlungs- und Ereignischarakter häufig in der Ausprägung als Kontroverse (Statik/Dynamik)
  • Konstruktivität und Kritik
  • Narrativität der Handlung / des Ereignissses durch Markierung von Anfang und Ende
  • ereignisbezogene zeitliche Begrenztheit der Aktualität
  • Akteure – Referenzpartner, je unterschiedliche Referenzgruppen
  • Aufnahme in ein Erinnerungssystem
  • Kombinationsform, die Anteile des politischen, religiösen, sportbezogenen, künstlerischen, wissenschaftlichen und ökonomischen Feldes verbindet.
Vollzogen wird kulturelles Handeln unter dem Dach symbolischen Handelns. Danach kann durch einen bestimmten, zumeist festgelegten rituellen Handlungsablauf im ›Hier‹ und ›Jetzt‹ ein ›Dort‹ oder ›Damals‹ als anwesend erfahrbar gemacht werden. Die Dimension des Symbolischen öffnet die jeweils konkrete Handlungssituation für die ›Präsenz‹ situationstranszendenter Werte. So erhält ein Preisträger bei der Verleihung lediglich die Insignien (Urkunde, Dotation); symbolisch verweisen sie auf den mit dem neuen Status als Preisträger verbundenen Anspruch auf Anerkennung, Einfluss und Ehrung, der sich erst bei weiteren kulturellen Handlungen oder im Alltag verwirklicht. Wer fair gehandelten Tee kauft, glaubt, nicht nur ein Genussmittel zu erstehen, sondern durch seinen Kauf ›hier‹ die Situation der Teepflücker ›dort‹ zu verbessern. So erhält eine alltägliche Handlung wie das Einkaufen durch die symbolische Dimension den Rang einer programmatischen kulturellen Handlung.

Insofern das Kulturelle als gesellschaftlicher – also gemachter – Raum symbolischen Handelns zu definieren ist, kann grundsätzlich jeder Vorgang Auslöser und Faktor kulturellen Handelns werden. Vor allem das Merkmal der Kombinationsform macht deutlich, dass die Erfahrungs- und Handlungsbereiche des Ästhetischen das kulturelle Handeln keineswegs dominieren. Weiterhin erschließen sich aus Kombinations- und Kontroversform kulturellen Handelns die Vielfalt, prinzipielle Unabgeschlossenheit und Offenheit des Kulturellen wie auch die Pluralität der Kulturen, was wiederum Auswirkungen auf Kanon und Kanonisierung hat. Auch belegt die Kontroversform kulturellen Handelns nicht nur grundsätzlich die Konstitution des Kulturellen aus unterschiedlichen Interessen, sondern erschließt darüber hinaus deren programmatische Ausrichtung, mögliche Spielräume, nicht hintergehbare Positionen, Grenzen und Emotionen der Akteure.

Vor diesem Hintergrund geht es im vorliegenden Beitrag um vorbereitende Bemerkungen zu einer Theorie kulturellen Handelns als Referenzpunkt einer Wissenschaft vom Kulturellen. Schon dieser Begriff, der als substantiviertes Adjektiv das weite gesellschaftliche Feld kultureller Dynamik, Diskurse und Bewegungen einschließt, verweist auf ein grundlegend anders ausgerichtetes Erkenntnisinteresse, als es sich in der Regel mit dem Begriff der Kultur verbindet, der vor allem den Bereich »meritorischer Güter« (Richard A. Musgrave)wie Museen, Theater, Bibliotheken, Archive, Baudenkmäler, Parks, Festlichkeiten sowie entsprechende Forschungen zur ›hohen‹ Kultur bezeichnet. Obwohl diese Kulturgüter für die allgemeinen Lebensbedingungen unverzichtbar sind, werden sie in ihrer Bedeutung von der Bevölkerung häufig nicht angemessen anerkannt und aus diesem Grund von staatlichen oder privaten Einrichtungen angeboten (vgl. Dücker 2007, 3). Um von kulturellem Handeln zu sprechen, muss der Begriff Kultur oder ein Kompositum nicht notwendig in der Quelle erscheinen. So geht es weniger um den juristisch geführten Nachweis des »Menschenrecht[s] auf Teilnahme am kulturellen Leben« (Groni 2008), womit im wesentlichen der Zugang zu den »meritorischen Gütern« gemeint ist, als vielmehr um Möglichkeiten, wie jeder einzelne das Kulturelle zur Formung seines Lebensstils einsetzen oder davon profitieren kann. Kulturelles Handeln ist sowohl Gegenstand als auch Methode der Untersuchungen. Stellt kulturelles als sozial legitimiertes Handeln eine notwendige Bedingung von Leben schlechthin dar? Anders gefragt: Schließt die Definition von Leben kulturelles Handeln immer schon ein?
Während im Rahmen der ›cultural turns‹ (Bachmann-Medick 2006) kulturelle Kontexte für die Praxis der Auslegungswissenschaften – Priorität Werke und Autoren, Künstler usw. – herangezogen werden, verfährt die Wissenschaft des Kulturellen in umgekehrter Richtung: Den Ausgang bilden Ereignisse und Handlungsabläufe, die Bezugswissenschaften zugeordnet und dann mit deren Fachwissen daraufhin untersucht werden, welche Selbst- und Weltformung das Subjekt beabsichtigt und womöglich auch erreicht hat. Daher gehört die Wissenschaft des Kulturellen zu den Lebenswissenschaften. Sie verfährt theoretisch und empirisch, deskriptiv und analytisch; ihre Gegenstände findet sie in den Lebensvollzügen der Vielen, in deren Gestaltungsangeboten und -möglichkeiten.

Unter dem Begriff des Kulturellen wird jener gesellschaftliche Bereich verstanden, in dem kulturelles Handeln als formativer Typus sozialen Handelns vollzogen wird. Formativ bezieht sich auf die Reziprozität zwischen einem Individual- oder Kollektivsubjekt (Akteur) kulturellen Handelns und dessen jeweiligem Adressaten. So ist das Kulturelle durch die Genese des Sozialen aus der Interdependenz von Subjekt und Referenzgruppe definiert. Im kulturellen als symbolischem Handlungsprozess präsentieren sich die Akteure, indem sie der Öffentlichkeit oder bestimmten Adressaten Deutungs- oder Auslegungsangebote von Begriffen, Werten, Konzeptionen, Wahrnehmungsformen, Handlungsfeldern, Traditionen, Geltungen und Projekten machen, die die Adressaten anerkennen und akzeptieren sollen (Reziprozität). So ›macht sich‹ der Akteur (Selbstformung, reflexiver Akt), indem er den Adressaten zu Aufmerksamkeit und Anerkennung für sein Deutungsangebot bewegen möchte (transitiver Akt der Gestaltung des Sozialen). Ob dieser das Angebot des Akteurs unverändert oder modifiziert anerkennen kann, will oder muss, inwieweit er damit selbst zum Akteur wird, dieser interaktive Bezug zwischen den am kulturellen Prozess Beteiligten wird mit dem ritualtheoretischen Begriff der Aushandlung (vgl. Dücker 2007) bezeichnet. Während des kulturellen Aushandlungsprozesses sind die Positionen der Beteiligten durch den Gestus der Modalität bestimmt. Kulturelles Handeln ist intentionales Handeln oder sozial vermitteltes Routinehandeln. Fuchs (2008, 29) geht von einem »tätigkeitsorientierte[n] Ansatz« aus, »der Subjekt – Tätigkeit – Objekt unterscheidet«.

Wenn im Folgenden kulturelles Handeln als komplexe Handlungsform verstanden wird, geht es um dessen Handlungssequenzen und Koordinationsprozesse, dessen Möglichkeit, Notwendigkeit und Wirksamkeit. Ist jeder einzelne – mit oder ohne Kompetenznachweis – zu kulturellem Handeln befähigt und berechtigt? Hat Martin Mosebach recht, wenn er schreibt: »Was ein Volk kulturell im Alltag tut, ist das, was es wirklich glaubt.« (Mosebach in FAZ 15.02.2006). Wenn es zutrifft, dass die Lebenssituation immer schon kulturell geformt ist, dann scheint die intentional fundierte Aushandlung eines Lebensstils eine Situation des Außeralltäglichen zu markieren (vgl. Dücker 2007, 51f., 122-127) Wie kann sich kulturelles Handeln in diesem weiten Sinn als Selbst- und Weltformung geschichtsbildend auswirken?
Dieser Beitrag basiert auf der Auseinandersetzung mit aktuellen Prozessen kultureller Dynamik wie der Kontroverse zwischen der behaupteten Dominanz von Virtualität und der Programmatik von Authentizität und Original, wie der Abhängigkeit der Teilnahme am digital angebotenen Kulturellen von der Verfügung über entsprechende Geräte, wie der Unbegrenztheit von Teilnahme und Selbstgestaltung in digitalen Prozessen bei gleichzeitigem Verlust von Selbstreflexivität zugunsten distanzloser Anerkennung oder Ablehnung kultureller Formungsangebote. Daher finden Medienformate besondere Berücksichtigung als Quellentexte, allerdings solche der Printmedien.

Zunächst werden funktionale Dimensionen der Rede vom Kulturellen bzw. der Kultur anhand von Medienbelegen und Forschungspositionen sichtbar gemacht (Kap. 2). Daran schließen sich Überlegungen zu einer Theorie des Kulturellen an (Kap. 3).

2. Das Kulturelle – die Kultur

Am 19. Juni 2009 findet im Deutschen Bundestag die Beratung des Gesetzentwurfs (16 / 387) zum Thema ›Staatsziel Kultur‹ statt. Als vorbereitende Information heißt es in der Wochenzeitung Das Parlament:

»Wenn definiert wird, was den Menschen charakterisiert, wird die Kultur als erstes genannt. Wenn allerdings darüber gestritten wird, wo Kommunen einsparen können, werden Ausgaben für Theater, Museen und Festivals meist ebenfalls als erstes erwähnt. Seit vielen Jahren schon streiten sich Politiker darüber, ob die Kultur mit der Erwähnung als schützenswertes Gut im Grundgesetz nachhaltiger gefördert werden kann.« (Ketterer in Das Parlament 15.06. 2009)

Diese Orientierung an einem eher ›engen‹ Kultur- als Sammelbegriff für kulturelle Einrichtungen und deren Produktionen (»meritorische Güter«) scheint dem Wortlaut zu entsprechen, der als Erweiterung des Artikels 20 des Grundgesetzes vorgesehen ist. Als Artikel 20b soll der Satz hinzukommen: »Der Staat schützt und fördert die Kultur«. Der Verfassungsrechtler Dieter Grimm hält einen solchen Zusatz für unnötig: »Da der oberste verfassungsrechtliche Zielwert der Menschenwürde und die auf ihn bezogene demokratische Herrschaft nur unter bestimmten kulturellen Voraussetzungen realisierbar sind, erteilt das Grundgesetz dem Staat auch ohne ausdrückliche Kulturstaatsklausel einen Kulturauftrag« (Grimm 1984, 81). Allerdings soll dieses ›Staatsziel Kultur‹ offenbar keine definierten und damit einklagbaren finanziellen Verbindlichkeiten des Staates begründen. Aber gerade wenn der geplante Grundgesetzzusatz nicht finanz-, sondern ›nur‹ kulturpolitisch gemeint sein soll, erscheint die Frage umso dringlicher, was denn in diesem Zusammenhang unter Kultur verstanden wird. Wenn die Kultur ein Ziel sein soll, das erst erreicht werden muss, wie ist dann die gegenwärtige Situation zu beschreiben? Hier kann von Beckers Feststellung helfen: »Kultur ist [...] kein Ziel, sondern ein (dynamischer) Zustand« (Das Parlament 22.02.2010).

Zunächst fällt auf, dass ›die Kultur‹, um deren gesetzlich verankerten Schutz und Förderung es gehen soll, offenbar keine Urheber oder Subjekte hat und damit auch nicht die Merkmale des ›Gemachtwerdens‹ und ›Gemachtseins‹, also des Entstehungsprozesses kennt, sondern ein Konglomerat von Institutionen und vorhandenen materiellen Objekten darstellt. Wird ein normativer Kulturbegriff – ›die Kultur‹ – zugrunde gelegt? Sind die Dimension der Weltkultur(en) und das Phänomen der – laut UNESCO 2005 – »kulturellen Vielfalt« als Globalisierungsfolge berücksichtigt? Aufgrund welcher Parameter und von wem soll ›die Kultur‹ definiert werden. Wird hier etwas vorausgesetzt, auf dessen explizite Bestimmung verzichtet wird? Wird es Bereiche geben, die ›die Kultur‹ ausschließt? Hat ›die Kultur‹, die staatlich geschützt und gefördert wird, bestimmte Gegenleistungen zu erbringen? Was ist überhaupt unter diesen Verpflichtungen des Staates zu verstehen und wie soll deren Praxis aus- und eingelöst werden? Wer kann sich auf diese Garantien berufen?

In seiner Rede zur Wiedereröffnung des Schiller Nationalmuseums an Schillers Geburtstag (10. Nov. 2009) führt Bundespräsident Horst Köhler in Marbach aus: »Kulturelle Bildung: das meint vor allen Dingen, Menschen die Chance zur Teilhabe zu geben, zur Teilhabe an der Welt der Kultur« (Tepasse in Das Parlament 16.11.2009). Was aber heißt »Chance zur Teilhabe« und welche ›Welt welcher Kultur‹ ist gemeint? Wenn es darum gehen soll, in der modernen Welt selbst kulturell handeln zu können, können als »Chancen« Schuldbildung, Wertevermittlung, berufliche Perspektive, Rechtssicherheit, Sicherung der Ernährung, der medizinischen Versorgung, der Unversehrtheit des Lebens, angemessene Wohnverhältnisse usw. gelten. Allerdings müssen diese Chancen auch ergriffen werden können, damit dann ›kulturelle Teilhabe‹ möglich ist, vor allem, wenn mit Kultur die ›hohe‹ Kultur gemeint ist. Groni resümiert mehrere Untersuchungen: »Neben wirtschaftlichen und sozialen Rechten haben kulturelle Rechte in den Augen vieler lediglich eine Bedeutung als ›dekoratives Element‹. Kulturelle Rechte wurden als›vernachlässigt, unterschätzt, fehlend oder vergessen‹ beschrieben« (Groni 2008, 74).

Am selben Tag widmet der Staatsminister für Kultur, Bernd Neumann, seine Rede in der Eröffnungssitzung des Deutschen Bundestags zur neuen Legislaturperiode ebenfalls dem Thema Teilhabe an der Kultur, wobei er deutlich macht, dass dieses Ziel vor allem über das Mittel kultureller Bildung zu erreichen ist. Zugleich hebt Neumann den politischen und gesellschaftlichen Rang der Kultur für eine »Kulturnation« hervor, indem er seinen Ausführungen ein Zitat aus dem Koalitionsvertrag voranstellt: »Kunst und Kultur sind der Zukunftsmotor einer Gesellschaft«. Damit begründet er, dass Kultur »im Rahmen der Generaldebatte vor allen anderen Ressortbereichen« behandelt wird.

»Gerade in Zeiten der Globalisierung, gekennzeichnet durch zunehmende Verunsicherung und Orientierungslosigkeit des Einzelnen, bedarf unsere Gesellschaft eines tragfähigen, gemeinsamen geistigen Fundaments, und dieses Fundament ist die Kultur. Die Kultur stiftet das Bewusstsein für die eigene Geschichte. Sie schafft Zusammenhalt. Sie stiftet Werte und Traditionen, die unser Land und unsere Gesellschaft für ein menschliches Miteinander brauchen. Durch die Kultur entsteht gerade für unsere Kinder und Jugendlichen jene Orientierung und Kreativität, die uns lebenslang begleitet. [...] Ganz oben steht für mich die kulturelle Bildung« (Neumann in Das Parlament 16.11.2009).

Neumann geht es um ›die eigene Kultur‹ und deren ausschließlich konstruktive Funktionen (›gemeinsames geistiges Fundament, stiftet Bewusstsein für eigene Geschichte, schafft Zusammenhalt, stiftet Werte und Traditionen für ein menschliches Miteinander, lebenslang wirksame Orientierung und Kreativität‹) als Gegengewicht gegen die »Globalisierung« und deren ausschließlich destruktive Wirkungen (»zunehmende Verunsicherung und Orientierungslosigkeit des Einzelnen«). Als »geistiges Fundament« übernimmt ›die Kultur‹ – so Neumann – eine Kompensationsfunktion für die Wirkungen der Globalisierung. Falls der Prozess kultureller Bildung und sein Ergebnis, die Teilhabe an ›unserer Kultur‹, prekäre Auswirkungen haben sollte, sind diese der Globalisierung zuzuschreiben. Weil ›die Kultur‹ in der Globalisierung schon einen ›äußeren‹ Gegenpol zu haben scheint, müssen konstitutive Merkmale wie Reflexivität und Kritik an geltenden kulturellen Orientierungen (Kulturkritik) nicht thematisiert werden. Entgegen dem Augenschein ausdifferenzierter sozialer und kultureller Formationen scheint ›die Kultur‹ – nach Neumann – inhaltlich und funktional definiert zu sein, man weiß, was man von der Kultur erwarten kann und was nicht; was dazu gehört und was nicht, gilt ein für alle Mal als entschieden. Ziel kultureller Bildung kann demnach nur Akzeptanz und Anerkennung dieses »tragfähigen Fundaments« sein. Das Reservoir an Kulturgütern ist strukturell unhistorisch, Neues sichert die Kontinuität der geltenden institutionellen Formen. Eindeutig wird ›die Kultur‹ durch ihre repräsentative Funktion für das Eigene definiert, obwohl es gerade Interessensegmente der eigenen Kultur sind, die für die Öffnung zur Welt, die Perspektiven von Weltkultur, -gesellschaft, -markt, -politik, -literatur oder eben der Globalisierung verantwortlich sind. In seiner Studie über das »deutsche Deutungsmuster« ›Bildung und Kultur‹ kommt Bollenbeck (1994) zu dem Ergebnis, dass die »Geschichte des Deutungsmusters erledigt« sei, nicht aber »die Idee der ›Bildung‹ und ›Kultur‹«. »Ob aber die Idee der ›Selbstbildung aller‹ und einer geglückten Identität obsolet ist, das darf bezweifelt werden. Denn die Menschen machen nicht nur Erfahrungen, sondern sie haben auch Erwartungen« (Bollenbeck 1994, 312). In der Tat scheint die offenbar konstitutive Bedeutung der ›kulturellen Bildung‹ im aktuellen Kulturdiskurs Bollenbecks Perspektive Recht zu geben.

Vor allem seit dem 16. Jahrhundert setzt die interessenbedingte Öffnung der Kulturen für Entdeckungen, die Produktion neuen Wissens, neue Nahrungsmittel, Rohstoffe, technische Produktionsverfahren, Jagd- und Kriegsformen, religiöse und kulturelle Praktiken usw. ein; damit machen sich diese Kulturen zu osmotischen Systemen, die ständig gezielt Anderes ins Eigene aufnehmen, dafür Eigenes abgeben und so zu je besonderen Misch- oder Hybridformen mit hohem Unsicherheitsfaktor in der Regelung kultureller und sozialer Geltungsansprüche diverser Partialgruppen werden. Zugleich zeigt sich damit das Phänomen des Kulturtransfers als konstitutiv für die Ausprägung des Kulturellen. »In Wirklichkeit also begann die Globalisierung vor der Bildung von Nationalstaaten« (Streeck 2004, 15). Diese erscheinen als  Reaktionen auf »Koordinierungs- und Integrationsprobleme« (Streeck 2004, 16) der frühen Globalisierung. So wie ökonomische Strukturen können auch kulturelle Formationen darauf abzielen, sich zu Monopolisten zu machen, d.h. anderes zu bieten als andere, sich zu spezialisieren, indem sie neue Bedürfnisse in neuen Feldern produzieren, während andere Formationen in konventionellen Bereichen miteinander konkurrieren.
 
Der Sozialphilosoph Panajotis Kondylis spricht von »planetarischer Politik«: »Das weltgeschichtliche Novum seit dem 16. Jh. bestand im Aufkommen von Mächten, deren praktisch relevante Ökumene den ganzen Planeten umfasste, deren Interessen sich also auf jeden Ort des Planeten ausdehnten oder wenigstens ausdehnen konnten, falls die Konkurrenz oder die Eigendynamik der Expansion dies erforderten. Politik wird in dem Maße planetarisch, wie Entwicklungen an jedem beliebigen Ort des Planeten die Kräfte und die Handlungsbereitschaft von interessierten Mächten mobilisieren können – wie keine Entwicklung und kein Ort von vornherein und auf immer als uninteressant für bestimmte Mächte gelten können« (Kondylis 1992, 3). Als Folge dieser Entwicklung entsteht im 20. Jahrhundert erstmals in der Geschichte eine »Weltgesellschaft«, die sich »zur prinzipiellen Gleichheit ihrer Mitglieder bekennt und ihnen die gleichen Rechte zuerkennt« (10). Die aktuelle Bedeutung des Planetarischen sieht Kondylis in der Frage, »welche Triebkräfte ausgerechnet heute Traditionen mobilisieren und gegeneinander ins Feld führen« (19). Begründet sieht er diese »Triebkräfte« in den planetarisch geltenden »massendemokratischen Zielsetzungen« (19).

Angesichts der Globalisierung ist von einer fundamentalen Bedeutung der Universalien auszugehen; da diese sich aber immer ›nur‹ kulturspezifisch ausprägen, besteht die kulturelle Alternative, Universalien eher unter der Priorität des globalen oder des eigenkulturellen Anspruchs zu behandeln. Überhaupt ist zu fragen, ob noch angemessen von nationalen Kulturen zu sprechen ist oder ob angesichts einer Vielzahl nationaler Ereignisse mit globalen oder planetarischen Auswirkungen (Filmpreise, Nobelpreise, Streiks nationaler Luftfahrtgesellschaften, Banken- und Unternehmenspleiten, Staatsbankrotte) nur noch von Kulturen mit nationalem Schwerpunkt gesprochen werden kann. Ungeachtet dieser Bedenken gilt als Ausgangspunkt einer Theorie des Kulturellen noch immer, »dass das Wirkliche Bedingung für das Mögliche ist« (Engelen 1999, 37). Am Anfang stehen jeweils die eigenkulturellen Interessen.

Aufgrund von Globalisierungsprozessen und Veränderungen im Bereich aktueller Kommunikationstechniken scheint sich die Möglichkeit abzuzeichnen, dass ›universale Ereignisse‹ als Ergebnisse öffentlicher Aushandlungsprozesse, als medial erzeugte Komplexe globaler Aufmerksamkeit in Einzelkulturen sozial produktiv und geschichtsbildend werden. Ob Banken- und Finanzkrise, Klimawandel und Pandemien, Terrorismus und Piraterie, die Auswirkungen dieser empirischen Phänomene betreffen in je kulturspezifischer Ausprägung die meisten Gesellschaften. Hier könnte ein grundsätzlicher Wandel des bisher geltenden Kausalverhältnisses von kulturspezifischer Ausgangshandlung und universalem Ereignis ausgemacht werden: Priorität hat das universale Ereignis, das dann seinen Platz in den Einzelgesellschaften findet. Dadurch sind diese miteinander vernetzt, was als Zeichen globaler kultureller Dynamik gelten und zum Abbau kultureller Differenz führen kann. Für das Kulturelle jener Gesellschaften, die von dieser Dynamik ausgeschlossen sind, weil sie von universalen Ereignissen nicht betroffen sind, liegt die Vermutung einer fundamentalen Distanz zur Moderne nahe.

Damit gehören auch Verfahren des›Kulturenvergleichs‹ (Schweizer 1978, Srubar/Renn/Wenzel 2005, Lutz/Missfelder/Renz 2006) zur Theorie kulturellen Handelns; einzubeziehen in die Komparatistik des Kulturellen sind Formen kulturellen Handelns von Einheimischen und Personen mit Migrationshintergrund, wobei die Gegebenheiten in den Herkunftsländern ebenso zu berücksichtigen sind wie – unter methodischem Aspekt – das Phänomen der kulturellen Diaspora.

Saskia Sassen hat es unternommen, »das Nationale als einen entscheidenden Schauplatz für die Erforschung und das Verständnis des Globalen zu erschließen. [...] Die epochale Transformation, die wir Globalisierung nennen, findet in einem weit größeren Maße, als gewöhnlich anerkannt wird, innerhalb des Nationalen statt« (Sassen 2008, 9, 17). Zu nennen sind z.B. übernationale Institutionen, Phänomene der digitalen Kultur, wirtschaftliche, finanz- und klimapolitische sowie militärische Verflechtungen. Aus Sassens Analyse folgt, dass die moderne Kultur, die die Globalisierung ermöglicht hat, nun als Remedium gegen deren Wirkungen eingesetzt werden soll.

Gegen die Eingrenzung der Vielfalt des Kulturellen im programmatischen Rahmen einer nationalen Kultur und ihrer Institutionen stehen allerdings jene Möglichkeiten kultureller Selbstbestimmung, die durch moderne Kommunikationstechniken erstmals angeboten werden. Dieses festzustellen ist daher keineswegs eine »Banalität«, wie Kondylis noch 1992 in Bezug auf Diagnosen einer kleiner werdenden Welt durch »Telekommunikation« (Kondylis 1992, 5) behauptete. Denn angesichts von Echtzeit-Internet, täglich 24stündiger kommunikativer Begleitung oder Kontrolle eines ›Freundes‹ und des Aufbaus eines unübersehbaren Netzes virtueller Freundschaftsbeziehungen mittels Facebook verändern sich jene traditionellen Lebensformen grundlegend, die auf direkter Kommunikation und produktiver Muße in Einsamkeit beruhen (vgl. Kuhn in SZ 18.02.2010). Auch ist ein Bedeutungswandel der Begriffe Freund / Freundschaft festzustellen: Persönliche Beziehungen werden durch öffentliche Kommunikationsformen zwischen Partnern ersetzt, die nur je virtuelle Identitäten mitbringen. Außerdem wird die Qualität von Freundschaft durch die Quantität der ›Freunde‹ ersetzt, von deren möglichst hoher Zahl der einzelne ›Freund‹ einen Gewinn an symbolischem Kapital für sich erwartet. Grundsätzlich ist die Integration des kommunikativen Handlungsprozesses aus digitaler Selbstdarstellung und der Anerkennung je anderer digitaler Selbstpräsentationen in ›die Kultur‹ nicht möglich. Auf diese Weise kann eine große Zahl voneinander getrennter ›Freundschaftsnetze‹ entstehen, über deren kulturellen Anspruch nur schwer zu urteilen sein wird. Auch entwertet eine so weitgehende Fragmentierung Begriffe politischer (konservativ, liberal, sozial, reformorentiert usw.) und kultureller (progressiv, revolutionär, avantgardistisch usw.) Zuordnung; Kondylis (1992, 91) spricht in diesem Zusammenhang von der »Antiquiertheit der politischen Begriffe«. Um ökonomischen Interessen am Urheberrecht angesichts kaum begrenzter Möglichkeiten des ›Herunterladens‹ und neuen Mischens zu genügen, schlägt Gerd Hansen im Interview eine »offene Kultur« vor.

»In einer offenen Kultur findet eine breitest mögliche Partizipation Aller am Prozess und an den Resultaten kreativen Schaffens statt. Voraussetzung dafür ist, dass Urheber vergütet werden und zugleich aber der Schutz nicht so weit ausgedehnt wird, dass dadurch kreatives Schaffen Dritter verhindert wird. Es geht daher um eine Kultur, in der möglichst viele Werknutzungen zustimmungsfrei, aber vergütungspflichtig sind. Leitbild einer solchen offenen Kultur ist für mich neben dem Urheber der aktive und selbstbestimmte Nutzer, der die im Zuge der digitalen Revolution freigesetzten Möglichkeiten kreativ ausschöpft.« (von Gehlen in SZ 03.09.2009)

Es geht um den Gewinn der ›ersten Urheber‹ aus ihren Hervorbringungen gegenüber den digitalen Profiteuren, die »Remixing, Sampling oder Mash Ups« (von Gehlen in SZ 03.11.2009) als Neuschöpfungen ausgeben. Mit diesen Formen ändert sich auch der Begriff des Urhebers, was am ›Fall‹ der ›Plagiatorin‹ Helene Hegemann abzulesen ist.

Auch die digitalen Formen der Weltwahrnehmung, -speicherung und –veränderung sind aus authentischen Kulturen hervorgegangen, die sie nun zu bedrohen scheinen. Unter dem Titel »Unsere Kultur ist in Gefahr« plädiert Roland Reuß für die Publikation in materialer Form gegen digitale (online-) Veröffentlichungen. »Worum es geht, ist der Respekt vor der unverwechselbaren Arbeit des Einzelnen, die durch geltendes Recht geschützt wird. Auf diesem Respekt vor selbstbestimmter kreativer Leistung beruht die Vielfalt des kulturellen Lebens« (Reuß in FAZ 25.04.2009). Digitale Veröffentlichungen nehmen – so Reuß – dem Kulturellen seine Gegenständlichkeit und direkte sinnliche Zugänglichkeit durch Berühren, Riechen und Schmecken.

Gegen »Prestigekultur« in der Form »repräsentative[r] Leuchtturmprojekte« wendet sich die Abgeordnete Agnes Krumwiede (Bündnis 90/Die Grünen). Dagegen fordert sie die Förderung von »Subkultur, freie[n] künstlerische[n] Entfaltungsmöglichkeiten«, aber auch des »hochsubventionierten Opernbetrieb[s]«. »Wir brauchen ein neues Denken, neue Denkansätze, die von Fantasie und Individualität geprägt sind. Dabei kann uns die Kultur helfen. Über Kultur identifiziert sich der Mensch mit sich und seiner Umwelt. [...] Kulturelle Bildung kann ein Schlüssel zu gesellschaftlicher Teilhabe sein«. Allerdings bekennt sie als Abschluss dieser anspruchsvollen Programmatik: »Es fehlt nur (!) an der Umsetzung« (Krumwiede in Das Parlament 16.11.2009). Schuldig bleibt Krumwiede die Erläuterung dessen, was sie unter ›neuem Denken‹ und ›neuen Denkansätzen‹ versteht.

Die Abgeordnete Lukrezia Jochimsen (Die Linke) vermisst das im Sommer 2009 im Bundestag diskutierte Thema ›Staatsziel Kultur‹ im Koalitionsvertrag der neuen Regierung (Das Parlament 16.11.2009). Im kulturpolitischen Teil der Bundestagsdebatte vom 20. 01. 2010 werden diese Positionen bekräftigt, Redner aller Parteien plädieren für den Verzicht auf Kürzungen im Kulturbereich. Die Beilage ›Aus Politik und Zeitgeschichte‹ vom 02.11. 2009 ist dem Thema ›Bildungspolitik‹ gewidmet. Auch in der Beilage vom 16.11. 2009 zum Thema ›Soziale Gerechtigkeit‹ hat kulturelle Bildung ihren Platz, ein Beitrag trägt den programmatischen Titel ›Sozialer Zusammenhalt und kulturelle Bildung‹. Die Ausgabe von ›Das Parlament‹ vom 22.02. 2010 ist dem Schwerpunkt ›Kulturpolitik‹ gewidmet und dokumentiert noch einmal die bekannten kulturpolitischen Positionen der Bundestagsparteien sowie zentrale Aspekte, die die Kultur im Sinne eines »meritorischen Gutes« betreffen (Objektkultur): Kürzungen in kommunalen Kulturetats, Bundeskulturstiftung, Förderung kultureller Projekte Gedenkstätten, Kulturflatrate, Kultur- und Kreativwirtschaft, Sponsoring und Mäzenatentum, Urheberrecht. In folgenden Aspekten stimmen diese Verlautbarungen überein und repräsentieren damit eine politische Mehrheit im kulturellen Diskurs.
  • Kultur umfasst sozial legitimierte Bildungsgegenstände, an denen der Einzelne durch seine kulturelle Bildung teilhaben oder teilnehmen kann und soll.
  • Kultur zeichnet sich durch weitgehende Homogenität ihrer Angebote, Institutionen und Handlungsmöglichkeiten aus.
  • Kultur bezeichnet einen ausschließlich positiv konnotierten sozialen Handlungsbereich, der dem Einzelnen soziale Orientierung und Identität vermitteln soll, wenn dieser durch Akzeptanz daran teilhat.
  • Prioritär für die Kommunikation von Kultur im politischen Feld ist das Merkmal der Bewahrung; Aspekte wie Dynamik, Kulturwandel, Alternativik, Anti-, Gegen- und Patchworkkultur spielen allenfalls eine untergeordnete Rolle.
  • Zugrunde gelegt wird ein eher normativer Begriff von Kultur.
Immer wieder wird in kulturpolitischen Kommentaren der am 11.12. 2007 vorgelegte Schlussbericht der Enquete-Kommission ›Kultur in Deutschland‹ erwähnt, der von der »Infrastruktur der kulturellen Bildung« (Theater, Museen, Bibliotheken, Archive, Bildungseinrichtungen, Konzerthäuser, Parks, Kirchen, Musikschulen usw.), also den »meritorischen Gütern«, spricht:

»Kultur ist als ›öffentliches Gut‹ anzusehen, für das eine öffentliche Verantwortung besteht. Dies gilt in besonderer Weise für die Infrastruktur der kulturellen Bildung. Der öffentliche Auftrag zum Aufbau und Erhalt einer Infrastruktur der kulturellen Bildung bedarf aktiven staatlichen und kommunalen Handelns. Förderleistungen in diesem Bereich liegen im ›öffentlichen Interesse‹« (Schlussbericht 2007, 381).

Damit bestätigt der Schlussbericht Kultur als Verfahren und Ergebnis, aber er gibt kein Subjekt dieses Verfahrens an: »Kulturelle Bildung ist immer auch politisch-historische Bildung im Sinne eines Verständnisses von Kultur als Interpretation gesellschaftlicher Entwicklung mit Mitteln der Kunst und Kultur« (Schlussbericht 2007, 391). Zu ergänzen ist, dass kulturelles Handeln in seiner Struktur von Angebot und Anerkennung (Nachfrage) deshalb politisch ist, weil es auf Zustimmung durch eine Mehrheit, zumindest eine qualifizierte Minderheit angelegt ist. Welche Mittel und Richtungen der Kunst sind im Schlussbericht gemeint, welche darüber hinaus gehenden Bereiche der Kultur sollen berücksichtigt werden? Wie soll kulturelle Bildung angeeignet werden? Ist die »Infrastruktur der kulturellen Bildung« an jene konventionellen Räume gebunden, die üblicherweise als kulturelle definiert sind und von den Räumen des Alltags funktional abgegrenzt werden? Was die meisten tun, um die Anerkennung ihrer Referenzpartner zu erhalten, nämlich Angebote der Selbstgestaltung im privaten Bereich, in Vereinen, Kirchengemeinden und sozialen Einrichtungen vorzulegen, findet im kulturellen Diskurs zumeist keine Aufmerksamkeit. Haben diese Angebote allerdings eine Weltformung zur Folge, die sich gegen die einer kulturellen Institution richtet, ist ihnen mediale Aufmerksamkeit sicher.

Letztlich gilt in allen diesen Verlautbarungen politischer Funktionsträger nicht das Kulturelle als aktuell, notwendig und unverzichtbar, sondern die Kultur als geschlossener Bereich kanonisierter Kunstwerke, deren Kenntnis vermittelt werden soll. An diesen Produkten können alle teilhaben, indem sie ins Theater oder Konzert gehen, ein Buch lesen oder ein Bild im Museum betrachten. Die zitierten Politiker beziehen Kultur auf eine Vielzahl durch Tradition gesicherter – vor allem künstlerischer – Gestaltungs- und Ausdrucksformen, für die bestimmte Institutionen zuständig sind. Für diesen objekt- und situationsgebundenen Kulturbegriff ist es offenbar unerheblich, dass die Dimension der Produzenten, Mäzene und Akteure zumindest nicht ausdrücklich berücksichtigt wird. Kultur und Kulturgüter – so sagen es die Belege – sind immer schon, sie sind das, was in den Institutionen angeboten wird; dass Geltungs- und Gültigkeitsansprüche von Kulturbeständen zuvor rituell ausgehandelt werden müssen, ist für die Instrumentalisierung der Kultur zur tendenziell homogenen Sinnstiftung und Orientierung offenbar ohne Belang. Wenn aber dieser Begriff von Kultur die Dimension der Aushandlung oder des Agons zwischen Auslegungsangeboten nicht umfasst, dann können die Adressaten der Kultur mangels Wahlmöglichkeit zwischen mehreren Angeboten keine Akteure der Selbstformung werden. Weder ist reziprokes kulturelles Handeln vorgesehen, noch gilt ›die Kultur‹ als sozialer Gestaltungs-, Ausdrucks- und Verständigungsraum für kulturelle Handlungsangebote Einzelner. So scheint Objektkultur auch dann zu existieren, wenn niemand Notiz von ihr nimmt.

Als Schwierigkeiten beim Gebrauch des Kulturbegriffs werden immer wieder dessen semantische Vagheit und Unschärfe sowie dessen inflationäre Verwendung erwähnt. So sei »dieser Begriff schwer greifbar und damit konfliktträchtig. [...] Andererseits kommt man offensichtlich bei der Erklärung politischer, ökonomischer, gesellschaftlicher und anderer Gegebenheiten ohne den Begriff ›Kultur‹ nicht aus« (von Laer/Scheer 2004, 7). Eagleton gibt dem Bedeutungszuwachs von ›Kultur‹ im 20. Jahrhundert den Rang eines Jahrhundertphänomens.

»Einer der bemerkenswertesten Aspekte des vergangenen Jahrhunderts war eine ungeheure Inflation der Bedeutung von Kultur. Solange Kultur sich auf Bach und Balzac beschränkte, vermochte sie die Gesellschaft insgesamt nur wenig zu prägen. Zu eindeutig war ein Betätigungsfeld für Spezialisten, die eine zu kleine Minderheit ausmachten. Statt nennenswerten sozialen Einfluss auszuüben, bot sie all jenen eine Zufluchtsstätte vor der modernen Gesellschaft, für die diese geistig abgewirtschaftet hatte. Die Kultur stand für eine Welt des absoluten Werts.« (Eagleton in Die Zeit, 20. 08. 2009)

Vor allem durch die Erfindung der »Kulturindustrie« (Th.W. Adorno) habe sich – so Eagleton – Kultur aus ihrer Bindung an zumeist öffentlich geförderte kulturelle Einrichtungen (»meritorische Güter«) und Bildungsinstitutionen befreit und diene zur Bezeichnung von »Lebensform[en]« und – so ist hinzuzufügen – von individuell zusammengestellten Lebensstilen und Milieus. Wenn Eagleton darauf hinweist, dass ›Kultur‹ in nichtwestlichen Kulturen zur Begründung »politischer Forderungen« gebraucht und »zum Kampfbegriff verkommen« sei, so scheint er in dieser Funktionalisierung die Differenzmarkierung zur westlichen Kultur zu sehen. Obwohl damit verhindert werden soll, dass die westlichen kulturellen Werte des Projekts Aufklärung in ihrer Ausprägung als Menschenrechte als Universalien durchgesetzt werden, zeigt gerade diese Konfliktkonstellation dennoch die offenbar nicht hintergehbare Geltung des westlichen Konzepts ›Kultur‹ als Rahmen auch jener kulturellen oder ethnischen Identitäten, die gegen die westlichen Werte gerichtet sind.

In rezenten wissenschaftlichen Arbeiten wird Kultur nicht selten als Gesamtheit von Einzelphänomenen, seien dies Hervorbringungen, Objekte oder Äußerungen, definiert (zum Forschungsbereich Kulturtheorie vgl. Fuchs 2008). So heißt es bei Schnell (2000, 267), Kultur sei »die Gesamtheit der menschlichen Hervorbringungen und Artikulationen, also seiner historischen, individuellen und gemeinschaftlichen, praktischen, ästhetischen und theoretischen sowie mythischen und religiösen Äußerungen«. Zur Kultur gehören demnach abgeschlossene Werke, Objekte, Denkbilder, Mythen und Verlautbarungen. In eine ähnliche Richtung scheint die Definition von Schildt/Siegfried (2009, 13) zu weisen, die Kultur als »Gesamtheit der unverwechselbaren geistigen, materiellen, intellektuellen und emotionalen Eigenschaften, die eine Gesellschaft kennzeichnen«, vorstellt. Wegen der Unschärfe des Begriffs ›Eigenschaften einer Gesellschaft‹ scheint diese Definition allerdings kaum operationalisierbar zu sein. Insgesamt bleibt bei diesen Definitionen offen, ob die »Gesamtheit« als Addition von Einzelphänomenen oder als qualitative Einheit gemeint ist, die voraussetzt, dass wertbezogene Parameter als Zuordnungskriterien definiert und wirksam werden, was grundsätzlich auch einen Bereich nicht zugehöriger Phänomene konstituiert. Ebenso wird der Vollständigkeitsgrad der gemeinten Gesamtheit nicht festgelegt. Auch machen jene Studien, die einen weiten Kulturbegriff zugrunde legen, in der Regel nicht wirklich Ernst mit den damit implizierten Möglichkeiten; denn auch sie beschränken sich zumeist auf die fächergebundene Geschichte von Konzeptionen des Kulturbegriffs oder auf entsprechende Verlautbarungen von Schriftstellern und Intellektuellen. Dagegen findet der kulturell organisierte Alltag kaum Beachtung. Gemeint sind die Bereiche von Fest, Aktualität, Bildungschancen als integrale Bestandteile von Kultur. Auch ist es nicht möglich, eine ›Gesamtheit‹ des Kulturellen zu bilanzieren; vielmehr gilt für Studien zum Kulturellen die Feststellung Burkards (2004, 11): »Die Frage ist nicht, was Kultur ist, sondern was sie ist, wenn wir sie untersuchen, beschreiben, verstehen, also Aussagen über sie machen. Was immer Kultur sein mag, sie ist gegeben in jenem Bedeutungsgewebe, das der Kulturwissenschaftler, -philosoph, Ethnologe oder jeder andere Interpret erzeugt.«

Noch weiter als Schildt/Siegfried legt Groni (2008, 176) seine Bestimmung des Kulturbegriffs an: »Kultur im Sinne dieser Arbeit wird [...] als der Inbegriff aller Lebensweisen und ihrer Manifestationen verstanden, die nicht eindeutig und offensichtlich gegen die Rechte der universellen Menschenrechtsübereinkommen verstoßen«. Zu einem ähnlich umfassenden Ergebnis des Umfangs von Kultur kommt Eagleton (2007, 182): »Kultur ist nicht nur das, wovon wir leben. In erheblichem Maße ist es auch das, wofür wir leben. Liebe, Beziehung, Erinnerung, Verwandtschaft, Heimat, Gemeinschaft, emotionale Erfüllung, geistiges Vergnügen, das Gefühl einer letzten Sinnhaftigkeit« gehören demnach zur Kultur. Ausdrücklich begründet Groni seinen »umfassenden Kulturbegriff« mit der anthropologischen Dimension seiner Untersuchung von »Kultur als Menschenrecht«; daher könne »Kultur als eurozentrisches Konstrukt nicht allein Inhalt eines Rechts mit universellem Geltungsanspruch sein. Auch eine Betrachtung im Lichte der kulturellen Identität verweist deutlich auf einen umfassenden Kulturbegriff. Es zeigt sich, dass das Recht auf Teilnahme am kulturellen Leben nicht als ein Instrument der Kulturpolitik missverstanden werden darf, sondern ihr als Menschenrecht voraus liegt.« (Groni 2008, 166/67)

Weil die vorgestellten Definitionen und situativen Äußerungen übersehen, dass ›Zugehörigkeit‹ – hier zur Kultur bzw. zum Kulturellen – grundsätzlich das Ergebnis eines Anerkennungsprozesses ist, verkürzen sie das Kulturelle um eine Ereignis-, Handlungs- oder Interaktivitätsdimension.

3. Kulturelles Handeln

Wer sich forschungstheoretisch und –praktisch mit dem gesellschaftlichen Bereich der Kultur beschäftigt, hat von vornherein deren Alleinstellungsmerkmal in der westlichen Tradition zu berücksichtigen. So ist ausschließlich dem Konzept der Kultur bzw. dem Komplex des Kulturellen, nicht aber den Begriffen Religion und Arbeit, die Funktion einer umfassenden Synthese-, Koordinierungs- oder Rahmenkategorie zur Integration und Differenzmarkierung politischer, nationaler, ethnischer, generationen-, produktions- und kommunikationsspezifischer Einheiten zugeschrieben worden.

Religion konnte in der westlichen Tradition nicht als Integrationsbegriff durchgesetzt werden, weil im antiken Griechenland eine Vielzahl lokaler und regionaler selbständiger Kulte überliefert ist, die als orale Religionen über kein heiliges Buch verfügen und von denen daher kein nachhaltiger Integrationseffekt etwa im Sinne des Missionsgedankens ausgeht. Dagegen ist eine entwickelte Religion auf die Erhaltung ihres dogmatischen Glaubenssystems ausgerichtet, was Offenheit, Akzeptanz und Toleranz gegenüber Andersgläubigen eher ausschließt. Zur Religion gehört die disintegrative entweder-oder-Struktur.

Einer synthetisierenden Funktion des Begriffs Arbeit steht im antiken Griechenland die soziale Empirie entgegen: Während die Erledigung der öffentlichen, d.h. politischen Aufgaben, Vorrecht der griechischen Oberschicht ist, wird die körperliche Arbeit Sklaven und Unterschichtangehörigen übertragen, die überdies miteinander konkurrieren müssen. Ein Beitrag über die aktuelle Bedeutung von Arbeit kommt dagegen z folgendem Ergebnis: »Arbeit scheint der wichtigste Wert der Gegenwart zu sein – entweder man hat sie oder man hat sie nicht. [...] Man fällt, wenn man nicht gewaltige Gegenkräfte zu mobilisieren versteht, ohne Arbeit aus den Zusammenhängen der Welt heraus. Nur durch Arbeit vermittelt sich der Mensch dem Menschen, nur durch Arbeit gehört er der Gesellschaft an und findet seinen Platz darin. Ohne Arbeit geht er nicht müßig, [...] sondern er leert sich aus und gerät in die Isolation. Der Mensch ohne Arbeit ist der Mensch ohne Sinn« (Müller in SZ 21./22.11.2009). Wie ist dagegen die ordnungskonstitutive Funktion des Konzepts Kultur zu erklären?

Das lateinische Etymon cultura bezeichnet ursprünglich die körperliche, im Jahreszeitenzyklus regelmäßig wiederholte Tätigkeit der ›Pflege‹ oder ›Bearbeitung‹ landwirtschaftlicher Nutzflächen, um so deren Erträge zu steigern. Diese Steigerung der Produktivität nützt dem einzelnen Landwirt ökonomisch und symbolisch (Zugewinn an Vermögen, Ansehen, Einfluss und Geltung), aber auch seiner Bezugsgesellschaft, indem deren Bedarfsdeckung gesichert wird. So umfasst cultura die semantischen Aspekte des regelmäßigen Handlungsprozesses und dessen Ergebnis, das in der Wert steigernden Transformation des Bearbeitungsobjekts sowie in der sozialen Anerkennung dessen besteht, der diese Ertragssteigerung bewirkt. Die als cultura bekannten Tätigkeiten konnotieren positive Wertzuschreibungen.

»Das Verbum colere, von dem cultura abgeleitet ist, verweist auf den Bereich des Ackerbaus und des Wohnens, also auf die Sesshaftigkeit des Menschen, auf die Achtung und Einhaltung der Normen, die menschliches Zusammenleben möglich machen, auf die Pflege der zwischenmenschlichen Beziehungen und schließlich auf die Verehrung der Götter, also auf die Religion: alles wesentliche Elemente dessen, was wir Kultur nennen oder Grundlagen der Kultur.« (Dalfen 1984, 24)

Wenn Cicero den Begriff auf intellektuelle Handlungsprozesse und Objekte (cultura animi) bezieht, ihn auf symbolische Handlungen ausrichtet, so gelten auch hier die schon bekannten Bedeutungssegmente wie regelmäßiger und kontinuierlicher Einsatz und dessen Ergebnis, soziale Anerkennung und Reputationssteigerung dessen, der ›cultura‹ betreibt oder sich gemäß dem kulturellen Pflichtenkanon verhält. Als entscheidend für die gesellschaftliche Durchsetzung des Konzepts Kultur scheint die Möglichkeit zu gelten, dass sich ein Individual- oder Kollektivsubjekt mittels kulturellem Handeln in Bezug auf Identität, Selbstwert und soziale Geltung (Ansehen, Einfluss, Kompetenzzuschreibung) machen kann, dass die ›Selbstmachung‹ des Subjekts von vornherein als reziproke soziale Handlung und damit als ›Weltmachung‹ angelegt ist.

Das Subjekt macht einer bestimmten Adressatengruppe, die über angemessenes ›symbolisches Kapital‹ (Bourdieu) verfügt (Repräsentanzfunktion sozialer Werte) oder zu deren Erwerb geeignet erscheint, öffentlich ein Angebot, etwa in Form einer Preisstiftung, -verleihung oder der Subvention eines Bauvorhabens. Ein weiteres Beispiel ist die Vorlage des Manuskripts eines unbekannten Verfassers bei einem bekannten Verlag. Damit das Subjekt seine Selbstmachung verwirklichen kann, sollte dieses Angebot von allen Referenzpartnern angenommen, d.h. anerkannt und medial vermittelt werden. Kommt es zur Preisverleihung, zur Eröffnung und Nutzung des Gebäudes oder zur Annahme und Veröffentlichung des Manuskripts, kann dies dauerhaften Imagegewinn für das Subjekt und den jeweiligen Preisträger, die Nutzer des Gebäudes und den zum Autor gemachten Verfasser bedeuten. Damit kulturelles Handeln in dieser Form ablaufen und ein kulturelles Ereignis bewirken kann, müssen Aspekte wie Bearbeitung, Aushandlung, Wiederholung, Erinnerung, Regelmäßigkeit, Wiedererkennen, Zukunftsperspektive beteiligt sein. »Kultur hat etwas mit Pflege zu tun, mit wiederholter Hinwendung zu Personen, Sachen und Ideen. Es sind nicht die Ideen, Sachen und Personen, die Kultur ausmachen, sondern die wiederholte Hinwendung zu ihnen« (Pross in SZ 29./30.04./01.05.1978).

Jeder Form von kultureller Anerkennung, die der Preis für eine vorhergehende Leistung oder einen Einsatz ist, geht stets das Phänomen der sozialen Aufmerksamkeit voraus; Anerkennung kann sowohl der Einhaltung des kulturell Wünschenswerten, dessen Erweiterung durch neue Themen, Konzepte, Personen als auch einem Verstoß dagegen zuteil werden. Obwohl ein Tabubruch oder gar ein Skandal besonders viel soziale Aufmerksamkeit einbringen, ist nicht davon auszugehen, dass diese immer in die Währung der positiven Anerkennung (Integration) transferierbar ist. Weil beide, positive und negative (Exklusion) Anerkennung eine Beziehung zwischen Subjekt und Referenzpartner darstellen, können sie beide die Aufnahme ins kollektive Gedächtnis einer Formation oder auch in ein fachspezifisches Erinnerungssystem bewirken.

Die Handlungssegmente Angebot (Subjekt), Aushandlung (Subjekt, Referenzpartner), Anerkennung (Referenzpartner) des Angebots mit dessen praktischer Umsetzung oder Aufführung können als Ergebnis die Selbstmachung des Subjekts und die Machung des Referenzpartners bewirken. Als deskriptiver und faktorieller Begriff stellt das Kulturelle ein Verfahren zur Gewinnung sozialer Anerkennung für individuelle und kollektive Lebensformen und institutionelle Programmatiken dar, wobei zunächst kein bestimmter Inhalt verlangt wird. Zur stereotypen Ineinssetzung von Verfahren und bestimmten Inhalten in der normativ geprägten Begriffsbildung ›die Kultur‹ kommt es erst, nachdem das Verfahren für immer die gleichen Inhalte angewendet worden ist. Prioritär für die Rede vom Kulturellen bleibt der soziale Handlungscharakter, d.h. die Dreigliedrigkeit von subjektivem Handlungsangebot, sozialer Aufmerksamkeit und Aushandlung sowie Anerkennung. Diese funktioniert nach der sozialen Grundform des ›Gabentauschs‹ (Marcel Mauss).

Wenn sich ein Subjekt (Einzelner, Kollektiv) durch kulturelles Handeln seine Lebensform macht, indem es anderen etwas anbietet (Gabe), wofür diese es durch ihre Aufmerksamkeit und Anerkennung belohnen (Gegengabe), woraufhin das Subjekt mit besonderer Anstrengung die Anerkennung durch die Anderen zu rechtfertigen versucht (Erwiderung), dann stellt das Kulturelle den Ordnungsrahmen für Grundbedürfnisse menschlichen Zusammenlebens dar. Weil Grundbedürfnisse korporal angelegt, also nicht kulturell gemacht sind, weil sie jeden einzelnen Menschen betreffen, wie z.B. Ernährung, Gesundheit, Sicherheit, Reproduktion, Identität und kulturelle Orientierung, Wohnen, Soziabilität, Kommunikation, Erinnerung, Gastlichkeit und Religiosität, handelt es sich dabei um universale Gegebenheiten. Selbstverständlich prägen sie sich ausschließlich kulturspezifisch aus und werden kulturspezifisch befriedigt, häufig in rituellen oder ritualisierten Formen, d.h. das Rituelle generiert seine Form des Sozialen. Hier liegt ein Einfallstor des Kulturellen, denn dieses kann Formen von Körperdesign und Speisemoden vorgeben, die dann das Körperbild prägen (man ist, was man isst).

Demnach ist leben ohne kulturellen Rahmen nicht möglich, leben bedeutet, kulturell zu handeln, d.h. sich und seine Situation zu machen. Auszugehen ist nicht von »Kultur als Möglichkeit« (Badura 2004, 20), sondern vom Kulturellen als Raum der Möglichkeiten für Selbstformung als Weltformung. Das Kulturelle steht also für den unvermeidlichen Prozess des Machens oder Herstellens und dessen Ergebnis, das Gemachte oder das Produkt. Diese Bedeutung teilt es mit der des griechischen Wortes bios: »Leben ist, worauf wir Einfluss haben – das wäre in etwa die Definition dessen, was im Griechischen bios heißt« (Konersmann 2007, 7). Zum einen folgt daraus, dass das Kulturelle ein »soziales Totalphänomen« (Marcel Mauss) darstellt, das allen gesellschaftlichen Feldern voraus liegt bzw. diese unterfüttert und daher nicht vom Alltag als dem Anderen zu trennen ist. Adelung (1774, 2) wertet die »Geschichte der Cultur als Fundament aller anderen Arten der Geschichte«. Zum andern findet der Mensch immer schon eine kulturelle Ordnung vor, kulturelles Handeln des Akteurs vollzieht sich auf der Basis gültiger sozialer und kultureller Strukturen bzw. im Rahmen des jeweiligen ›Habitus‹ (Bourdieu). Begründet in den sozialen Voraussetzungen ist das Routine-Handeln, das als kulturelles Handeln eher geltende Standards bestätigt als neue einzuführen versucht. Exemplarisch hat Bourdieu Auswirkungen von intentionalem und sozialem kulturellen Handeln zum Gegenstand seiner Untersuchung ›Die feinen Unterschiede‹ gemacht.

Forschungspraktisch bedeutet das, dass die Untersuchung eines Einzelphänomens nicht ohne Berücksichtigung seines Kontexts möglich ist. So gehört etwa zur Literaturgeschichte auch die Geschichte der Machung von Text und Autor, also die performative Dimension. Insofern stellt das Kulturelle einen Deutungs- und Vergemeinschaftungszusammenhang dar, in dem es zur wechselseitigen Prägung von Einzelnem und seinem Bezugskollektiv kommt. Der Mensch macht sich, indem er kulturell handelt, was zunächst bedeutet, zwischen mindestens zwei Möglichkeiten wählen zu können. Insofern setzt kulturelles Handeln die Wahrnehmung von Alternativen voraus, was stets eine Kosten-Nutzen-Bilanzierung und eine selbstreflexive Phase einschließt. Maßstab jeder Entscheidung ist der größtmögliche Gewinn an – mit Bourdieu – ökonomischem, symbolischem, sozialem oder kulturellem Kapital für die eigene Position. Da das Kulturelle sich durch die Existenz von Alternativen definiert, kann es nur tendenziell einsinnig sein, jedes explizite Gebot, jede Entscheidung ist zugleich Hinweis auf die verworfene Alternative.

3.1 Der ›Sündenfall‹ als ›Machung‹ des Kulturellen

So markiert in der biblischen Paradiesgeschichte die realisierte Möglichkeit, den Apfel zu verzehren, die Entstehung des Kulturellen aus dem korporal angelegten Grundbedürfnis nach Selbstkenntnis als Folge des erstmals möglich gewordenen reflexiven Handelns als sozialem Handeln. Möglich wird dies durch die programmatischen Alternativen, verkörpert durch die Schlange und Gott. Diese Konstellation kann als schon bestehende kulturelle Situation gelten, die Eva und Adam vorfinden und in der sie ihre Entscheidung aushandeln müssen. Bis dahin lebten sie im kulturlosen Zustand des Paradieses. Im kulturellen Handeln macht sich das Subjekt, indem es etwas oder jemanden macht, d.h. diese ins eigene Kulturelle integriert oder davon ausschließt, in jedem Fall an sich und seine Geschichte bindet.

Damit kulturelles Handeln möglich wird, ist das Subjekt auf eine materiale oder personale Referenz als ›Mitspieler‹ angewiesen, die dieses Handeln durch ihre Anerkennung legitimiert. Zu geschichtlichen Wesen machen sich Eva und Adam dadurch, dass sie das Angebot der Schlange annehmen und den Apfel verzehren; zugleich machen sie auf diese Weise die programmatischen Gegenspieler Schlange und Gott zu ständigen Alternativen im Kulturellen. Sie machen sich zu kulturellen Wesen, indem sie die Hierarchie zwischen Gott und Schlange etablieren, wofür sie die Aufmerksamkeit beider erhalten.

Mit dem Verzehr des Apfels inkorporieren sie sich das Selbstwissen, das nichts anderes als Wissen über die eigene Position in der Welt, d.h. Weltwissen bedeutet. Jede Veränderung der eigenen Position betrifft daher auch immer die Gestalt der Welt, Selbstformung setzt Weltformung in Gang. Sowohl die Menschen als auch ihre nichtmenschlichen Interaktionspartner haben sich durch das formative kulturelle Ereignis bis zur Kenntlichkeit verändert. Das Kulturelle entsteht aus der Einverleibung von Welt, wodurch sich deren Zustand ändert. Weil der Bissen, den »der einzelne isst, unter keinen Umständen ein anderer essen« (Simmel 140) kann, ist die einmal gefundene Formung des Kulturellen irreversibel. Akteure treffen eine Entscheidung aufgrund vorgegebener kultureller Bedingungen und verändern damit sich selbst und diese Bedingungen.

3.2 Kritik am Kulturellen (Kulturkritik)

Mit der Konstruktion des Kulturellen wird zugleich die verworfene Alternative bewusst, die im Medium der Kritik an der getroffenen Entscheidung erinnert wird. Zur Erinnerung kulturellen Handelns gehören also stets zwei Seiten. Die als ›Kulturkritik‹ bekannte komplementäre Dimension hat die Funktion eines Kommentars oder Korrektivs und hält die Möglichkeit einer Veränderung dauernd offen. Bollenbeck (2007, 10) spricht definitorisch zutreffend von »Kulturkritik als Reflexionsmodus der Moderne«; in Bezug auf die Struktur des Kulturellen als Angebot und Anerkennung gehört die kritische Dimension von Anfang an zum Kulturellen. Weil dieses als das Gemachte historisch ist, kann es auch wieder verändert werden. »Leben ist, worauf wir Einfluss haben« (Konersmann 2007, 7). Letztlich begründet Kulturkritik neue Perspektiven, (rückwärtsgewandte) Utopien und Visionen anderer, – aus Sicht des jeweiligen Kritikers – besserer Welten. Häufig erscheinen diese kritischen Entwürfe in der Form von Kulturpessimismus und Verfallsszenarien als Vorstufen der Rückkehr zu Ursprung und Anfang. Aber auch diese Formen bieten mit der Ästhetik des Hässlichen oder der Ruine eine konstruktive Seite, um sich damit einen Namen zu machen. Es kommt stets darauf an, welche Erzählung ein Objekt oder eine Handlung hergeben. Im Gespräch mit Mosebach weist A. von Buttlar darauf hin, dass »Berlin [..] anderen Städten vielleicht voraus [hat,] dass es hier noch Brachen und Risse gibt, die die Leute interessant finden« (SZ 13.01. 2010).

3.3 Begrifflichkeit

Als Grundmuster der Funktionslogik des Kulturellen ergibt sich das der reziproken Anerkennung der beteiligten Interaktionspartner; ein Subjekt macht sich, indem es in die Welt mit einem Gestaltungsangebot eingreift, das es dem Anderen zur Anerkennung vorlegt, womit dieser das Angebot umsetzen würde. Immer bezieht das Subjekt sein Angebot auf einen Mitspieler, auch wenn es scheinbar um ein Objekt geht, sind doch stets die Interessen eines Referenzpartners angesprochen. Syntaktisch ist diese zweiteilige Handlungsstruktur als Satzgefüge aus Haupt- und modalem Nebensatz darstellbar. Während die Handlung des Hauptsatzes durch ein Reflexivverb (sich einen Namen machen) die selbstreferentielle Handlungsmacht (Agency) hervorhebt, soll dieser Anspruch der Selbstmachung durch die transitive Handlung im modalen Nebensatz (Konjunktionen indem / dadurch, dass; jemandem einen Namen machen) eingelöst werden.

Zur Theorie kulturellen als reziproken Handelns gehört eine eigene Begrifflichkeit: Angebot, Aushandlung, Anerkennung, Modalität, Reflexivität, Transitivität. Am Anfang einer kulturellen Handlungssequenz steht das Angebot, mit dem sich das Subjekt exponiert, mit dem es den Referenzpartner als Adressaten (Objekt) anerkennt, um dann dessen Anerkennung zu erhalten. Daher muss das Angebot so geformt sein, dass es für den Anderen zumutbar, angemessen und vorteilhaft ist, das Subjekt hat mögliche Reaktionsvarianten des Adressaten zu antizipieren, es versetzt sich in dessen Position und bemüht sich auf diese Weise darum, anerkannt zu werden. Dieser interessenabhängige Einsatz für die Anerkennung rechtfertigt es, von der Ökonomie des Kulturellen zu sprechen, die aufgrund einer Kosten-Nutzen-Analyse des Subjekts die Nützlichkeit, Rentabilität und schließlich den Erfolg des kulturellen Handelns legitimieren soll. Allgemein wird der Versuch, das eigene Handeln am Handeln anderer zu orientieren, dieses also ins eigene Kalkül einzubeziehen, als ›Theory of Mind‹ bezeichnet. »Über die [diese Theorie] begreifen Menschen andere Menschen als Individuen mit eigenen Wahrnehmungen, Gefühlen und Gedanken und können sich danach vorstellen, was im anderen vorgeht. Für Forscher gehört die Theory of Mind zu den Grundlagen des Lernens und Lehrens und somit auch zur Entstehung von Kultur« (Fenzel in MPF 4/2009, 18).

In einem umfangreichen Artikel in Die Zeit (24. 09. 2009) wirft der Philosoph Axel Honneth dem Philosophen Peter Sloterdijk vor, dieser wolle den Sozialstaat zugunsten der Wohlhabenden so verändern, dass diese ihre steuerlichen Abgaben im Gestus »›schöner Handlungen‹ der freiwilligen Beschenkung nach unten an die Bedürftigen verteilen« könnten. Der Philosoph Christop Menke plädiert gegen Sloterdijks These von der »freiwilligen Mildtätigkeit der Wohlhabenden« mit dem Hinweis darauf, dass Sloterdijk die »Idee der [sozialen] Gleichheit zu Fall bringen« wolle. Sloterdijk unterscheide zwischen denen, die sich um »Tüchtigkeit, Leistung und Exzellenz« bemühen und jenen, »die faul, blöde und unfähig im Gewöhnlichen verharren. Diese können nicht anerkannt werden; das Band der Gleichheit mit ihnen ist zerrissen. Denn nur durch Übung und Anstrengung macht man sich – selbst: macht man sich selbst zu einem Selbst« (Menke in Die Zeit 15. 10. 2009). Menke übersieht die Reziprozität kulturellen Handelns, wonach ein Akteur sich nur macht (Selbstformung), indem er einen anderen macht (Weltformung). Im Interview mit der SZ wiederholt Sloterdijk sein Plädoyer für die Abschaffung des Steuerzwangs durch die Einführung des Freiwilligkeitsprinzips der Zahlungen, von dem er sich »eine demokratische Neubegründung der zivilen Großzügigkeit zugunsten des Gemeinwesens« verspricht. »Es geht mir um den Grundzug unseres Steuersystems, dass es den Gaben- oder Spendencharakter der zivilen Steuer absichtlich ausblendet und stattdessen nur ihren Zwangs-, Pflicht- und Schuldcharakter hervorhebt« (Beise in SZ 5./6. 01. 2010). Durch sein Angebot möchte er die Welt insofern formen, als er die neue Steuerordnung mit dem Anspruch eines programmatischen kulturell-politischen Neuanfangs versieht.

Erreicht das Angebot den Adressaten, muss dieser sich dazu verhalten. Die Phase der Aushandlung bietet mehrere Möglichkeiten: Erregt das Angebot nur geringe Aufmerksamkeit, kann es unmittelbar nach Erhalt vom Adressaten abgelehnt werden. Dass das Subjekt sein Angebot zu Beginn dieser Phase zurückzieht, ist eher selten, weil diese Variante mit Verlust an symbolischem Kapital verbunden ist. Zumeist gibt es eine Aushandlung über die Aus- und Aufführungsbestimmungen des Angebots, wobei die Interessen beider Seiten auf einen konstruktiven Prozess ausgerichtet sind. Die Aushandlungsphase ist tendenziell zeitneutral, unhistorisch und situativ begrenzt, es bleibt zunächst offen, welche Seite dominiert. Der Adressat ist in dieser Phase in die Rolle eines Subjekts geschlüpft. Beispiele sind mediale Debatten über Kontrovers- und Kombinationsthemen wie z.B. den ›Fall Hegemann‹, die Nutzung des Berliner Humboldt-Forums oder die Bedeutung des Schweizer Referendums gegen den Bau von Minaretten. Dabei hat die Öffentlichkeit Gelegenheit, sich per Leserbrief oder Internetstatement zu beteiligen. Zu berücksichtigen ist stets, ob es Bestände gibt, die nicht aus- oder verhandelbar sind wie ethische Grundsätze, Werte oder Menschenrechte. Als Parameter des ›Wahren‹ oder der ›richtigen‹ Deutung gilt häufig die eigene kulturelle Position.

Ist ein Konsens hergestellt, erkennt der Adressat – nun als Subjekt – das Angebot an, d.h. beide Partner erkennen sich wechselseitig an. So bietet jemand einem Galeristen oder Museum ein Objekt an. Akzeptiert der Galerist das Objekt, bezahlt dafür, stellt es aus, so hat er es als Kunstwerk und den Produzenten als Künstler anerkannt. ›Du bist anerkannt‹ heißt ›du gehörst zu uns‹. Anerkennen bedeutet Partei ergreifen, Stellung beziehen, sich zu jemandem oder einer Position bekennen. Dass damit ein Wandel im Verhältnis der kulturellen Handlungspartner möglich ist, stellt Honneth unter Hinweis auf Hegel fest: »Stets wird ein Subjekt in dem Maße, in dem es sich in bestimmten seiner Fähigkeiten und Eigenschaften durch ein anderes Subjekt anerkannt weiß und darin mit ihm versöhnt ist, zugleich auch Teile seiner unverwechselbaren Identität kennen lernen und somit dem anderen auch wieder als ein Besonderes entgegengesetzt sein« (Honneth 2003, 30f.). Mit der Anerkennung haben beide symbolisches Kapital gewonnen, was wiederum – in Anlehnung an Alois Hahn – als ›Anerkennungsgenerator‹ weitere Prozesse kulturellen Handelns bewirken kann.

Die erste Sequenz kulturellen Handelns ist eine reflexive Handlung, das Subjekt macht sich, – besser – will sich in bestimmter Weise machen. Es handelt selbstbezogen, stellt sich im Gestus der Selbstreflexion zur Disposition, weil es Handlungsalternativen wahrgenommen hat. Reflexiv werden heißt demnach, den Ablauf des aktuellen Handlungsprozesses zu suspendieren, innezuhalten, über sich und seine Möglichkeiten zu reflektieren, um eine Entscheidung über eine geeignete Selbstformung zu treffen, die dann als Angebot an einen Referenzpartner gerichtet wird, um sozial wirksam zu werden (Weltformung). So ist die zweite Sequenz eine transitive Handlung, das Subjekt gibt in einem mit den Konjunktionen indem oder dadurch dass eingeleiteten Modalsatz die Art und Weise an, in der die reflexive Handlung anerkannt werden und in der sie die soziale Wirklichkeit formen kann. Weiterhin enthält der Modalsatz den Hinweis auf den Adressaten, der als Subjekt der Anerkennung die soziale Ausrichtung des Angebots legitimieren soll. Modalität erscheint in der Ausprägung als Möglichkeit. In Bezug auf die Bestimmung der Zieleinstellung und die Wahl der Referenz der transitiven Handlung ist das Subjekt frei. Um Erfolg zu haben, hat es allerdings den Spielraum und die Kompetenzen des Referenzpartners angemessen einzuschätzen. Während die Begriffe Reflexivität, Reziprozität und Modalität in linguistischen Studien (vgl. Abraham /Leiss 2009, Dietrich 1992, Engelen 1999, Guéron/Lecarne 2009, Gunkel/Müller/Zifonun 2003, König/Gast 2008, Lindemann/Letnes 2004, Meixner 2008) zumeist an Einzelsätzen untersucht werden, bilden sie hier neben Angebot, Aushandlung, Anerkennung und Transitivität Elemente einer zu entwickelnden Grammatik des Kulturellen.

3.4 Beispiel Nobelpreis

Nehmen wir als Beispiel folgende Handlungskonstellation: ›Die Schwedische Akademie macht sich einen Namen, indem sie der Schriftstellerin Herta Müller am zweiten Donnerstag im Oktober 2009 durch die öffentliche Zuerkennung des Nobelpreises für Literatur einen Namen macht.‹ Weil die Akademie mit der Bekanntgabe der Preisträgerin dieser zunächst ein Angebot unterbreitet, ist der Hauptsatz nicht als Tatsachenmitteilung zu lesen, sondern als Konstruktion einer Modalität in der Ausprägung als Möglichkeit: Die Schwedische Akademie will / möchte / darf / kann sich einen Namen machen. Obwohl der modale Nebensatz den Gegenstandsbezug (das Was: Preisverleihung) dieser Möglichkeit und das Verfahren von deren Umwandlung in eine Tatsache (das Wie: Herta Müller als Preisträgerin einen Namen machen) mitteilt, bleibt der Wahrheitsgehalt des Satzgefüges weiterhin im Status der Möglichkeit. Denn die Ausführung der transitiven Handlung ›jemanden präsentieren, jemandem einen Namen machen‹ setzt voraus, dass die Bezugsperson dieses Handlungsangebot anerkennt und akzeptiert. Obwohl die Akademie vor der öffentlichen Verkündung des Preisträgers dessen Einverständnis einholt (Aushandlung), bleibt bis zur Verleihung die Möglichkeit einer Ablehnung des Preises bestehen (nach Erhalt ist die Rückgabe jederzeit möglich). Mit der Preisverleihung ist die Zugehörigkeit des Preisträgers zum Erinnerungssystem der Akademie vollzogen.

Herta Müller soll, so die Erwartung der Schwedischen Akademie als Subjekt von Haupt- und Nebensatz, das Angebot des Nobelpreises akzeptieren, was sie handlungslogisch und damit auch grammatisch vom Objekt zum Subjekt macht; diese Transformation (Statuswandel durch Auszeichnung) entspricht der realen Situation, dass Müller die Entscheidung der Akademie, ihr den Preis zu geben, durch dessen Annahme anerkennt. Erst mit Müllers Akzeptanz, die das ursprüngliche Subjekt (Akademie) zum Objekt macht, liegt die reziproke Anerkennung als Voraussetzung des von der Akademie intendierten kulturellen Ereignisses vor, das die Selbst- als Weltformung umsetzt. Weil das Verleihungsritual den Regeln gemäß ausgeführt wird, ist die mögliche Welt formal zu einer realen Welt geworden, inwieweit die Nobelpreisverleihung das symbolische Kapital der Akademie und Herta Müllers tatsächlich steigert, kann erst später entschieden werden.

Allerdings ist für die im Beispiel aufgerufene modale Handlungskonstellation eine andere Ausführung zu bedenken. Herta Müller hätte, wie Jean-Paul Sartre es im Jahr 1964 getan hat, das Angebot des Nobelpreises ablehnen können (vgl. Dücker Failure 2007a). In diesem Fall hätte es kein Verleihungsritual gegeben, gleichwohl hätte ein kulturelles Ereignis vorgelegen, weil das Angebot der Akademie die Aufmerksamkeit der Adressatin und – so darf gemutmaßt werden – der Öffentlichkeit erregt hätte. Die Struktur von Selbst- als Weltformung wäre insofern erfüllt worden, als die Akademie die Gelegenheit erhalten hätte, ihre Prinzipien und Verfahrensnormen anlässlich des Misslingens in der gewünschten, womöglich aktualisierten Form noch einmal darzulegen. Für Sartre gilt, dass die Ablehnung des Nobelpreises ihm mindestens ebenso viel symbolisches Kapital eingebracht hat, wie eine Annahme es hätte generieren können. Sartre hat sich einen Namen gemacht, indem er die ›Weltformungsfunktion‹ des Nobelpreises abgelehnt hat, ohne dass dieser singuläre Fall aber der Ehre und dem Ansehen des Nobelpreises geschadet hätte. Gleichwohl gehört Sartre ›als Autor, der den Nobelpreis freiwillig abgelehnt hat‹, zu dessen Geschichte. Die theoretisch mögliche Variante, dass das öffentlich vorgetragene Angebot kulturellen Handelns ohne Reaktion bleibt, erscheint rein hypothetisch. Denn durch die Veröffentlichung sind in aller Regel programmatische Interessen berührt, so dass die Adressatenseite das Angebot kommentieren muss (Modalität in der Ausprägung als Notwendigkeit).

Zahlreiche aktuelle Beispiele zeigen, dass die Struktur kulturellen als symbolischen Handelns, Selbstformung als Weltformung auf der Basis reziproker Anerkennung zu praktizieren, zu den üblichen Strategien sozialen Handelns gehört. So will sich die Desertec-Gesellschaft einen Namen im Energiesektor machen, indem sie Wüstenstrom aus Afrika importiert. Ihrem Chef Paul van Son wird im Interview von Markus Balser die Frage gestellt: »Sie müssen Kulturen an einen Tisch bringen, die sich lange nicht grün waren: Die christliche und die islamische, die afrikanische und die europäische, die entwickelte Welt und sich entwickelnde Länder. Wie wollen Sie schaffen, woran die Uno regelmäßig scheitert? Van Son: Wir werden über Jahre Überzeugungsarbeit leisten müssen – auf beiden Seiten. Industrieländer müssen ihren nationalen Energiemix überdenken, die Länder Nordafrikas darauf vertrauen, dass es nicht um modernen Kolonialismus geht. Wir müssen allen klar machen, was sie verpassen, wenn sie beider Gestaltung eines neuen Energiezeitalters nicht mitmachen. Nur gemeinsam werden wir strenge Klimaziele erreichen. Und in Afrika wird Desertec die lokalen Lebensverhältnisse verbessern Mit den Kraftwerken kommen Jobs, Einnahmen – und Strom. Denn produziert wird für Ursprungsländer und Europa« Balser in SZ 17.02.2010). Wenn ein Artikel über die Initiative ›Teach First‹ die Überschrift trägt »Einsatz für andere, Chancen für Dich« (Wiele in FAZ 16. 09. 2009), so soll die Nachwuchskraft sich Chancen und Karrierevorteile ›machen‹, indem sie vorübergehend Schülern neue Perspektiven eröffnet, was auf der eigenen Profilliste als sozialer Einsatz erscheint. Von Schülern und der Öffentlichkeit erwarten die ›Gelegenheitslehrer‹ Anerkennung dafür, dass sie sich an die Basis begeben, wie auch die Schüler Anerkennung dafür erwarten, dass sie sich sozial exponieren, indem sie den Aushilfslehrkräften eine Chance einräumen.

Verlage versuchen, sich einen Namen zu machen, indem sie einem Debütanten einen Namen zu machen versuchen (vgl. Uchatius in Die Zeit 08.10. 2009). Dieser kann die Chance der Erstveröffentlichung womöglich dadurch kompensieren, dass er Erfolg hat. So versucht der Autor, sich ein Image zu schaffen, indem er Image und Kontinuität des Verlags oder der kulturellen Institution macht. Indem in früheren Jahrhunderten reiche bürgerliche oder adelige Familien Altäre für Kirchen stifteten, indem sie also die Gestaltung der heiligen Kirchenräume machten, erhielten sie einen Eintrag ins Stifterbuch und erwarben sich das Privileg der Grablege in der Kirche sowie Vergünstigungen für ›das Leben nach dem Tode‹. Unter dem Titel »Egoismus schafft Gemeinsinn« werden evolutionsbiologische Versuchsergebnisse vorgestellt, die belegen, dass Menschen auch dann zu öffentlichen Unterstützungs- und Hilfshandlungen bereit sind, wenn sie dafür keinen ökonomischen Gewinn, wohl aber symbolisches Kapital erzielen. Was dieses Verfahren »symbolrational« (Dücker 2007, 102-108) rechtfertigt, sind die Freiwilligkeit und die Selbstbestimmtheit des auf den ersten Blick unerwarteten Handelns, das allerdings in der Erwartung der Wirksamkeit der »indirekten Reziprozität« (Anhäuser 2007, 38) ausgeführt wird. Gemeint ist damit die Anerkennung, die eine freiwillig und unentgeltlich erbrachte Leistung bei jenen erfährt, die nicht direkt davon profitieren, diesen Einsatz aber für sozial und kulturell wünschenswert halten und den ›selbstlos‹ Handelnden in anderer Form Vorteile verschaffen (z.B. Stellenangebot, Aufträge). Für die Aufführung kulturellen Handelns scheint vor allem die Anerkennung als Zugewinn an Ansehen und als Berücksichtigung in der betreffenden Institutionengeschichte zu zählen.

Literatur

ABRAHAM, WERNER / ELISABETH LEISS (HG.): Modalität. Epistemik und Evidentialität bei Modalverb, Adverb, Modalpartikel und Modus. Tübingen 2009.
ADELUNG, JOHANN CHRISTOPH: Versuch eines vollständigen grammatisch-kritischen Wörterbuchs der hochdeutschen Mundart. Bd. 1 A-E. Leipzig 1774.
ANHÄUSER, MARCUS: Egoismus schafft Gemeinsinn. Für die Opfer eines Erdbebens oder einer Hungersnot zu spenden bringt dem Wohltäter nichts – würde ein Schimpanse vielleicht denken und es deshalb lassen. Doch das stimmt nicht, wie Wissenschaftler um Manfred Milinski vom Max-Planck-Institut für Evolutionsbiologie in Plön herausgefunden haben. Denn ein guter Ruf schafft immer Vorteile. In: Max Planck Forschung 4/2007, 38- 43.
BACHMANN-MEDICK, DORIS: Cultural Turns. Neuorientierungen in den Kulturwissenschaften. Reinbek bei Hamburg 2006. Balser, Markus: »Zeit für eine Revolution«. Interview mit dem Desertec-Chef Paul van Son. In: SZ 17. 02. 2010.
BADURA, JENS: Kulturelle Pluralität und Ethik. In: Christof Mandry (Hg.): Kultur, Pluralität und Ethik. Perspektiven in Sozialwissenschaften und Ethik. Münster 2004, 17-38.
VON BECKER,PETER: Kern des Zusammenhalts. KULTUR In das Fundament unserer Gesellschaft zu investieren, ist keine gönnerhafte Subvention. In: Das Parlament Nr. 8, 22. 02. 2010.
BEISE, MARC: Ein Land verlottert. In: SZ 08. 02. 2010.
BEISE, MARC: Wider die Verteufelung der Leistungsträger. Interview mit Peter Sloterdijk. In: SZ 5./6. 01. 2010.
BOLLENBECK, GEORG: Bildung und Kultur. Glanz und Elend eines deutschen Deutungsmusters. Frankfurt am Main 21994.
BOLLENBECK, GEORG: Eine Geschichte der Kulturkritik. Von J.J. Rousseau bis G. Anders. München 2007.
BURKARD, FRANZ-PETER: Normen und Rituale – Darstellung, Deutung, Umdeutung. Einige hermeneutische Überlegungen. Forum Ritualdynamik Nr.5. Heidelberg 2004.
VON BUTTLAR, ADRIAN / MARTIN MOSEBACH: Auferstanden aus Ruinen, und dem Alten zugewandt. Ein Gespräch [...] über das Neue Museum in Berlin. In: SZ 13. 01. 2010.
DALFEN, JOACHIM: Einige Gedanken zum europäischen Kulturbegriff und zu seinen Wurzeln. In: Sigrid Paul (Hg.): »Kultur«. Begriff und Wort in China und Japan. Berlin 1984, 21-34.
DIETRICH, REINER: Modalität im Deutschen. Zur Theorie der relativen Modalität. Opladen 1992.
DÜCKER, BURCKHARD: Rituale. Formen – Funktionen – Geschichte. Eine Einführung in die Ritualwissenschaft. Stuttgart 2007.
DÜCKER, BURCKHARD:  Failure Impossible?Handling of Rules, Mistakes and Failure in Public Rituals of Modern Western Socities. In: Ute Hüsken (ed.): When Rituals go Wrong: Mistakes, Failure, and the Dynamics of Ritual. Leiden / Boston 2007a, 73-98.
EAGLETON, TERRY: Die gefährliche Formel. Früher war Kultur eine Kraft der Versöhnung. Heute ist sie zum Kampfbegriff verkommen. Sollte sich der Westen darauf einlassen, ist das Zeitalter der Aufklärung zu Ende. In: Die Zeit, 20. 08. 2009.
ENGELEN, EVA-MARIA: Das Feststehende bestimmt das Mögliche. Semantische Untersuchungen zu Möglichkeitsurteilen. Stuttgart Bad Cannstatt 1999.
FENZEL, BIRGIT: Der Hund denkt mit. In: Max Planck Forschung 4/2009, 18-25.
FROMME, CLAUDIA: Die Retter der Tafelrunde. In: SZ 29. 01. 2010.
FUCHS, MAX: Kulturpolitik. Wiesbaden 2007.
FUCHS, MAX: Kultur Macht Sinn. Einführung in die Kulturtheorie. Wiesbaden 2008.
VON GEHLEN, DIRK: Kreativität fördern. Der Jurist Gerd Hansen über das reformbedürftige Urheberrecht. In: SZ 03. 11. 2009.
GRIMM, DIETER: Kulturpolitik. In: Steiner, Udo / Dieter Grimm: Kulturauftrag im staatlichen Gemeinwesen. Berlin / New York 1984.
GRONI, CHRISTIAN: Das Menschenrecht auf Teilnahme am kulturellen Leben. Inhalt, Grenzen und Justitiabilität von Art. 15 (1) lit. A) des Internationalen Paktes über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte. Stuttgart u.a. 2008.
GUÉRON, JACQUELINE / JACQUELINE LECARNE (ED.): Time and Modality.Berlin / Heidelberg / New York 2009.
GUNKEL, LUTZ / GEREON MÜLLER / GISELA ZIFONUN (HG.): Arbeiten zur Reflexivierung. Tübingen 2003.
HONNETH, AXEL: Kampf um Anerkennung. Zur moralischen Grammatik sozialer Konflikte. (1992) Mit einem neuen Nachwort. Frankfurt am Main 2003.
HONNETH, AXEL: Fataler Tiefsinn aus Karlsruhe. Zum neuesten Schrittum des Peter Sloterdijk. In: Die Zeit 24. 09. 2009.
HUNTINGTON, SAMUEL P.: Der Kampf der Kulturen. The Clash of Civilisations (1996). Die Neugestaltung der Weltpolitik im 21. Jahrhundert. München / Wien 1996.
KETTERER, SANDRA: Passion für Kultur. Staatsziel: Bundestag stimmt diese Woche über FDP-Gesetzentwurf ab. In: Das Parlament 15. 06. 2009.
KÖNIG, EKKEHARD / VOLKER GAST (HG.): Reciprocals and Reflexives. Theoretical and Typological Explorations. Berlin / New York 2008.
KONDYLIS, PANAJOTIS: Planetarische Politik nach dem Kalten Krieg. Berlin 1992.
KONERSMANN, RALF: Einleitung: Philosophie als Lebensform und Lehrform. In: ders. (Hg.): Das Leben denken – Die Kultur denken. Bd. 1: Leben. Freiburg / München 2007, 7- 25.
KUHN, JOHANNES: Eigentlich sollten Sie erwachsen werden! Freundschaft und Einsamkeit im Online-Zeitalter: Ein Gespräch mit dem amerikanischen Kulturkritiker William Deresiewicz. In: SZ 18. 02. 2010.
VON LAER, HERMANN / KLAUS-DIETER SCHEER: Vorwort der Herausgeber. In: dies. (Hg.): Kultur und Kulturen. Vechtaer Universitätsschriften Bd. 23. Münster 2004.
LINDEMANN, BEATE / OLE LETNES (HG.): Diathese, Modalität, Deutsch als Fremdsprache. Festschrift für Oddleif Leirbukt zum 65. Geburtstag. Tübingen 2004.
LUTZ, HELGA / JAN-FRIEDRICH MISSFELDER / TILO RENZ (HG.): Äpfel und Birnen. Illegitimes Vergleichen in den Kulturwissenschaften. Bielefeld 2006.
MEIXNER, UWE: Modalität. Möglichkeit, Notwendigkeit, Essenzialismus. Frankfurt am Main 2008.
MENKE, CHRISTOPH: Wahrheit. Nicht Stil. Es geht um die gerechte Gesellschaft. Zum Streit zwischen den Philosophen Axel Honneth und Peter Sloterdijk. In: Die Zeit 15. 10. 2009.
MOSEBACH, MARTIN: Sind die Deutschen noch ein Kulturvolk? In: FAZ 15. 02. 2006.
MÜLLER, BURKHARD: Wo Spielen aufhört. Was den Menschen vom Tier unterscheidet: Wir können uns unsere Arbeit aussuchen. Und laufen damit Gefahr, uns selbst die Würde zu nehemn. In: SZ 21./22. 11. 2009.
PROSS, HARRY: Braucht Kultur Eliten? In: SZ 29./30. 04. / 01. 05. 1978.
REUß, ROLAND: Unsere Kultur ist in Gefahr. In: FAZ 25. 04. 2009.
SCHILDT, AXEL / DETLEF SIEGFRIED: Deutsche Kulturgeschichte: die Bundesrepublik von 1945 bis zur Gegenwart. München 2009.
SCHNELL, RALF (HG.): Metzler-Lexikon Kultur der Gegenwart. Themen und Theorien, Formen und Institutionen seit 1945. Stuttgart / Weimar 2000.
SCHWEIZER, THOMAS: Methodenprobleme des interkulturellen Vergleichs. Probleme, Lösungsversuche, exemplarische Anwendung. Köln / Wien 1978.
SIMMEL, GEORG: Soziologie der Mahlzeit. In:
SRUBAR, ILJA / JOACHIM RENN / ULRICH WENZEL (HG.): Kulturen vergleichen. Sozial- und kulturwissenschaftliche Grundlagen und Kontroversen. Wiesbaden 2005.
STREECK, WOLFGANG: Auf der Suche nach Nischen in der Weltgesellschaft. In: Max Planck Forschung 3/2004, 15-19.
UCHATIUS, WOLFGANG: Dick, doof und arm. Wie macht man einen Bestseller? Der junge Soziologe Friedrich Schorb versucht es mit einem Buch über Fettleibige. Er feilscht mit Verlagen um Honorare, verbringt Monate am Schreibtisch, beugt sich den Gesetzen der Buchindustrie – und lernt, dass nichts wichtiger ist als ein provokanter Titel. In: Die Zeit Nr. 42, 08. 10. 2009.
URBAN, THOMAS: Kulturkampf um Polanski. In: SZ 30.09.2009.
WEISSMÜLLER, LAURA: Dubai, bye, bye. In: SZ 28./29. 11. 2009.
WIELE, JAN: Sie sind einfach auf dem Markt. »Einsatz für andere, Chancen für Dich«. In: FAZ 16. 09. 2009
WILLMS, JOHANNES: Kulturkampf. In: SZ 26. 05. 2009.