Handelnde Menschen und Gemeinsamkeiten

Prinzipien, formuliert von Willy Brandt und Helmut Schmidt, akzeptiert und offensiv vertreten durch die Partei, mußten im Bundestag durchgesetzt werden. In der Unionsfraktion hatten die »Scharfmacher« in den meisten Fällen, in denen es um Deutschland- und Ostpolitik ging, das große Wort. Ihnen stand auf der Koalitionsseite ein Team gegenüber, das aus der heutigen kritischen Distanz gesehen als ein sehr produktives, kreatives und eingespieltes Team beurteilt werden kann.

Egon Bahr als Verhandlungsführer und Egon Franke, der innerdeutsche Minister aus Niedersachsen, obwohl sich gegenseitig nicht sehr gewogen, waren für die Durchsetzung der Deutschland- und Ostpolitik unentbehrlich. Der im guten Sinne »konservative Sozialdemokrat« Egon Franke hat, nicht nur durch seine stille Art, das Ministerium zu führen, dem hervorragenden Sachverstand der Fachleute jede Chance der Entwicklung gegeben. Er hat auch als »Boß der Kanalarbeiter« (Abgeordnete, die die stabile Mehrheit der Fraktion darstellten und sich besonders durch ihre Verbundenheit mit der Bevölkerung auszeichneten) für Mehrheiten in der Fraktion zur Durchsetzung der Politik gesorgt. Kein noch so erbitterter Gegner der sozialdemokratischen Deutschlandpolitik kann Egon Franke heute unterstellen, daß er mit Kommunisten, sprich der SED, gekungelt habe. Die damalige Opposition hatte in der Öffentlichkeit besonders mit dieser unfairen Unterstellung gearbeitet. Egon Franke war jedoch der Garant, der für jedermann deutlich machte: Hier geht es um die Menschen im geteilten Deutschland und um den Erhalt der Nation.

Zu seinem Team gehörten, mit ähnlichem Verständnis und der gleichen Außenwirkung, die beiden Berliner Abgeordneten Marie Schlei und Kurt Mattick. Marie Schlei war zeitweilig als parlamentarische Staatssekretärin in der Regierung Schmidt tätig.

Und es gehörte vor allem Dr. Heinz Kreutzmann dazu. Der kluge und hochgebildete Abgeordnete aus Nordhessen war in jener Zeit Obmann im innerdeutschen Ausschuß der SPD, als es galt, einer ohne Maß und Ziel agierenden CDU/CSU Paroli bieten zu müssen. Die Verträge im innerdeutschen Ausschuß unbeschadet über die parlamentarischen Hürden zu bringen, war nicht einfach. Man kann ohne Übertreibung feststellen, daß Kreutzmann wesentlich dazu beigetragen hat, einen Meilenstein in der Vertragsgeschichte der Bundesrepublik zu setzen.

Bei allen ostpolitischen Gegensätzen und dramatischen Auseinandersetzungen zwischen Regierung und Opposition, zeigten sich doch auch Felder der Gemeinsamkeit in der Deutschlandpolitik. 1971 konnte der Bundestag den Entwurf eines Zonenrandförderungsgesetzes verabschieden, an dessen Zustandekommen Koalition und Opposition gleichermaßen Anteil hatten. Die Sozialdemokraten Karl Herold, Egon Höhmann und Dr. Heinz Kreutzmann hatten sich dabei besonders bemüht.

Dr. Heinz Kreutzmann mußte gleichzeitig im Ausschuß für innerdeutsche Beziehungen als Sprecher der SPD an vorderster Stelle die Auseinandersetzung mit der CDU/CSU über den Grundlagenvertrag führen. Im Jahr 1972 verabschiedete schließlich der Bundestag, im Zusammenhang mit den Verträgen von Moskau und Warschau, nach erbitterten Redeschlachten eine von allen Fraktion getragene Entschließung, in der die Grundsätze der Offenhaltung der deutschen Frage festgehalten wurden.

Im Sommer 1978 formulierten die Parteivorsitzenden, eingeladen vom Bundespräsidenten, eine sehr detaillierte gemeinsame Erklärung zur Berlin-Politik. Im Ausschuß für innerdeutsche Beziehungen wurden unterdessen die Bemühungen um die Erarbeitung gemeinsamer Grundlagen der künftigen Deutschlandpolitik fortgeführt. Hier sollten neben dem Sozialdemokraten Kurt Mattick (Ausschußvorsitzender) auch Dr. Heinz Kreutzmann, Dr. Jürgen Schmude, Bruno Friedrich und auch Hans-Günther Hoppe von der FDP sowie Olaf von Wrangel und Dr. Johann Baptist Gradl von der CDU genannt werden.

Die konstruktive Zusammenarbeit dieser politischen Akteure, die sichtbaren Positionsveränderungen bei den Konservativen, am prägnantesten vielleicht von Franz-Josef Strauß formuliert, der für damalige Verhältnisse ein Tabu bei den Konservativen brach, als er feststellte: »Ich glaube nicht an eine Wiedervereinigung im Sinne einer Wiederherstellung des alten deutschen Reiches. Das wiedervereinigte Deutschland muß eingebettet werden in eine Architektur der europäischen Einigung und kann nicht mit Gewalt hergestellt werden«, führte insgesamt dazu, daß sich die beiden großen politischen Kräfte der Bundesrepublik wieder aufeinander zu bewegten.

Aufgrund dieser Entwicklungen erwartete – für den Fall eines Regierungswechsels – niemand mehr im Ausschuß für innerdeutsche Beziehungen grundlegende Veränderungen in der Deutschlandpolitik.

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