Ulrich Schödlbauer

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Wer bist du, fragte er sich, die Augen beschattend und die Weiten des Weltmeers nach einem Anzeichen menschlicher Gegenwart absuchend gleich hunderten Augenpaaren vor, neben und hinter ihm – wer bist du, dass du für diese Menschen Schicksal spielst, etwas, das in keinem Fünfjahresplan vorgesehen ist und in keiner Modernisierungsbilanz jemals auftauchen wird? Er hatte genügend Menschen krepieren gesehen, um dem Untergang dieser Auswanderer, die sich an die Fiktion des Verfolgtseins wie an einen Strohhalm klammerten, während sie bereitwillig exakt die Rolle übernahmen, die das Politbüro ihnen zugedacht hatte, gelassen beizuwohnen, selbst wenn er dabei in Gefahr geriet.

Das Wort ›Schicksal‹ hatte es ihm angetan. Er hatte es in alten Schriften gefunden und unter Mühen seine Verwendungsweise ausbuchstabiert. Diese Menschen wollten leben, dafür nahmen sie Risiken in Kauf, die in keinem Verhältnis zu dem standen, was sie erwartete. Er lebte doch auch – was also fehlte ihnen? Anders gefragt, auch wenn es auf dasselbe hinauslief: Was hatten sie ihm voraus? Hatte es einen Zweck, sie zu beneiden? Wenn ja: weshalb? Sollte er sie bedauern? Wozu? Hatte er sie in die Falle gelockt? Warum hätte er so etwas tun sollen? Hatten nicht, genau besehen, sie ihm eine Falle gestellt – ihm, von dessen Existenz, geschweige denn seiner Gegenwart mitten unter ihnen, sie nicht das Geringste ahnten?

Was wäre aus ihm geworden, hätte das Politbüro nicht einen Ausgestoßenen benötigt, der es übernahm, diese Schweinereien zu organisieren? Andererseits: Hatte das Politbüro entfernt eine Vorstellung davon besessen, wie überaus erfolgreich er die ihm zugewiesene Aufgabe bewältigen würde? Das anzunehmen war nicht wahrscheinlich, es zu bestreiten hingegen konnte zu Scherereien führen, gegen die gehalten diese Bootsfahrt vermutlich einem Kinderspiel glich.

Zum zweiten Mal seit seiner Ernennung überkam Fac ten Chek der Wunsch nach Meditation. Das Flappen eines Rotors brachte die Luft zum Vibrieren. Aus fünfhundert Kehlen löste sich ein Schrei. Gleichgültig, wer da schrie: niemand würde sich seiner erinnern. Die New Yorker Geschäftspartner, stets misstrauisch gegenüber der Machtlogik post-sozialistischer Regime, hatten den unersetzlichen Freund in der schwimmenden Nussschale geortet und angesichts eines aufziehenden Sturms entschieden, mit seiner Bergung nicht länger zu warten.

 

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