Ulrich Schödlbauer

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Fac ten Chek schreibt.

»Du musst den Wahn verfolgen, bis er sich stellt.

Ist es wichtig zu wissen, wer ihn ausgelöst hat? (Du besitzt einen Verdacht, nicht mehr.)

Ist es wichtig zu wissen, wer sich an ihm dumm und dämlich verdient? (Das ist offensichtlich, man muss blind und taub sein, es nicht zu merken.)

Ist es wichtig zu wissen, wer aus ihm Macht zieht (eine obszöne, durch nichts gerechtfertigte Macht, die den, der sie jetzt, das Missverständnis bedauernd, niederlegte, erschlagen würde)?

Der Wahn hat dir etwas zu sagen. Er ist die Stimme, la dolce voce (sie spricht aus keinem Draußen, sie spricht die Sprache der Körper, sie zuckt aus ihnen heraus), er ist das aus der Kette gesprungene Glied, die rollende Kugel, die alle anderen im Zickzack berührt, in dir, außer dir, auf grünem Tuch, wo sonst, widrigenfalls stündest du vor dem perfekten Rätsel, nicht wissend, wonach du forschen solltest.

Nicht die Gefahr ist es, vor der diese Menschen fliehen. Bestünde Gefahr für alle (nicht nur für jene notorisch Gefährdeten, die, nimmt man ihnen eine, prompt in die nächste geraten), sie wüssten sich zu wehren und würden nach gehörigem Nachdenken das Richtige tun (oder verfehlen). Diese hier wehren sich nicht. Ein Behälter ist zersprungen, eine namenlose Substanz ist ausgelaufen und die Menge … halluziniert, sie befände sich auf der Flucht. Nenne, was ihr abhanden kam, das Normale, nenne es, wie du willst, das Maß der Distanz, die den Zusammenhalt zwischen lebendigen Körpern regelt, das Gelassenheitsregulativ, falls du das Wortungetüm zulassen möchtest, und nun müssen sie sich, wie die Kinder, die einfachsten Alltagsgriffe vorbrüllen lassen, bloß um an ihnen zu scheitern.

Die Wahrheit ist: keiner begreift, wovor sie sich schützen sollen. Sie wissen bloß – weil man es ihnen erzählt hat –, dass es winzig sein muss, unfassbar winzig, mit dem Aussehen eines von den Propaganda-Boys der heimlich an allen Fronten die Fäden spinnenden Vorsitzenden in den krassesten Farben reproduzierten Todessterns, dessen schierer Anblick sämtliche Girls der Umgebung augenblicklich in Schutzflehende verwandelt. Und nichts hält es wirklich auf. Nichts hält es auf … also vollführen sie Gesten … Schutzgesten, wie der Pfarrer sagt, der es wissen muss, von deren Nutzlosigkeit die höhnisch schweigende Mehrheit seiner Schäfchen zutiefst überzeugt ist – warum? Aus Sklavenhörigkeit gegenüber der Macht, von der sie sich Schutz erwarten. Ihr Gehorsam ist fordernd, jederzeit kann er in Raserei umschlagen.

Sie stammeln das Wort Wissenschaft und üben sich in blind sehendem Gehorsam. Sie legen Wert darauf, vernünftig zu sein, und was man zu sehen bekommt, ist eine Art Totstellreflex des animal rationale, des Menschen im Menschen, den anderen bloßlegend, der auch in ihm steckt und jetzt das Regiment übernommen hat, erdrückender als jemals der kalte Verstand, vor dem es die einfachen Gemüter graust. Es ist, als stünden sie, mürbe Schauspieler ihrer selbst, allesamt auf der Bühne und die Regieanweisung lautete: Lasst euch gehen! Wer sich rührt, wird erschossen.«

Da steht es, gerade ausgedrückt und dennoch verdreht – ›torquiert‹, als sei es unter Folter hervorgepresst und habe den Schreibgrund zerrissen. Das ist natürlich Nonsens. Trocken steht es da, das ist wahr, ein Salzkegel im ewigen Sand, doch als stünde es in einer Lache und die Feuchtigkeit kröche in ihm empor: Bald wird es zerbröckeln. Verschwunden die gestaltenden Hände, abgerissen der Informationsstrom, nichts verbindet diese allzu aufrechten Sätze mit dem treibenden Kreiseln und brodelnden Fliehen unter Fac ten Cheks Schädeldecke.

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