Haben Sie mitgezählt? Ich frage das nicht aus Vergnügen, sondern weil es mich aufrichtig interessiert. Auf welcher Stufe, stehen wir gerade? Die Auseinandersetzung, die da über uns hereingebrochen ist, hat das Zeug, zur Jahrhundert-Auseinandersetzung zu werden, vergleichbar der mit dem Kommunismus, finden Sie nicht? Wir sollten also schleunigst herausfinden, worum es sich dabei handelt, allein schon, um nicht verrückt zu werden. Das ist ein Menschenrecht, man darf das nicht vernachlässigen. Ich schlage vor, mit den Brandbeschleunigern zu beginnen: den Wörtern und ihren Urhebern. Wer die Sprache kontrolliert … Sie wissen Bescheid.
Um das Jahr 1968 herum beschloss die zivilisierte Menschheit – besser: der Teil, der sich dafür hielt –, eine unattraktiv gewordene Verrücktheit zu verlassen. Stattdessen wurde sie gewendet wie eine erst halb aufgebrauchte Jacke. Heute ist sie vollends zerschlissen und gehört entsorgt. Und wie damals lautet die erste aller Fragen: Wem gehören die Medien? Ich erzähle das nicht aus Jux oder weil mir die Antwort schon auf der Zunge liegt. Ich stelle auch nicht die Eigentumsfrage. Die sollte man immer stellen und die Antwort ist jedes Mal aufschlussreich. Aber natürlich beweist sie nicht alles. In gewisser Weise gehören Medien stets dem Publikum, das sie bedienen. Sie müssen sich rentieren, um diesen altertümlichen Ausdruck zu gebrauchen. Dazu müssen sie der Kundschaft nachgehen. Wie geht man der Kundschaft nach? Nun, man erfüllt ihre Wünsche, und wenn es nicht die rationalen sind, dann sind es eben die irrationalen, und wenn es nicht die offen zutage liegenden sind, dann sind es eben die verborgenen. Und auch das ergibt erst die halbe Miete.
Wer begreifen will, wie eine Redaktion wirklich tickt, muss die journalistische Agenda im Auge behalten. Das ist eine Binsenweisheit. Muss eine Gesellschaft darüber in die Binsen gehen? Den Journalismus versteht nur, wer die ihn formenden Institutionen versteht, also die Colleges, Hochschulen, Journalistenschulen, die Clubs, die Seilschaften, die Stiftungen, Denkfabriken, Parteieinrichtungen und so fort. Sie haben ja etwas gelernt, die Berufsanwärter, und es steckt ihnen in den Köpfen. Selbst wenn sie wollten, bekämen sie es nicht mehr heraus. Auch wenn der neue Alltag sie zunächst überwältigt: die Botschaft sitzt. Es läuft ihnen einfach in die Tasten, ob sie wollen oder nicht. Es hat sie geformt und so sind sie. Nennen wir es den Faktor (a). Aber natürlich macht sich, peu à peu, die normative Kraft des Faktischen, sprich: Faktor (b) geltend: die direkten Avancen der Macht, die wundersam sich öffnenden und verschließenden langen und kurzen Wege, die Vor- und Nachteile, die sich jemand einhandelt, sofern er hier mehr, dort weniger recherchiert – so etwas spricht sich herum. Es kommen die undurchsichtigen Kollegen mit der etwas anderen Agenda, die allzu forschen Kollegen, von denen sich die Redaktion nach langem oder kurzem Zerwürfnis trennen muss, es formt die Konkurrenz, in der jeder sich seine Team-Position erarbeitet, sprich: seinen Anteil am Kuchen erbeutet.
Aber gesetzt, man kennt die Zusammensetzung des Kopfgebräus, man hat sich ansatzweise einen gewissen Überblick über die Alltagszwänge verschafft – dann kann man um all das immer noch eine große Klammer legen und sagen: Na und?